Verwendung von TR4, TR4-Aktivatoren, TR4-Inhibitoren oder TR4-assoziierten Molekülen zur Behandlung von leukä isehen Erkrankungen
Die Erfindung betrifft die Verwendung von TR4 , TR4-Aktiva- toren, TR4-Inhibitoren und/oder TR4-assoziierten Molekülen, wie z.B. Antikörpern oder Liganden, sowie ein Mittel, umfassend TR4, TR4-Aktivatoren, TR4-Inhibitoren und/oder TR4- assoziierte Moleküle zur Diagnose und Behandlung von Tumorerkrankungen und Erkrankungen des Blutes, insbesondere von leukämischen Erkrankungen. Anwendungsgebiete der Erfindung sind die pharmazeutische Industrie und die Medizin.
Nukleare Rezeptoren sind Schlüsselregulatoren der Zell- proliferation, der Zelldifferenzierung und der verschiedenen Entwicklungsprozesse der Zelle. In vielen Fällen üben diese Rezeptoren ihre Funktion über die Bindung an bekannte Liganden wie Retinoide, Steroide, Thyroidhormon, Eicosanoide und Vitamin D aus . Weiterhin gibt es eine sogar noch größere Anzahl von nuklearen Rezeptoren, die keine Liganden haben bzw. deren Liganden noch nicht identifiziert wurden. Diese nuklearen Rezeptoren werden auch als Orphan-
Rezeptoren bezeichnet (Mangelsdorf und Evans, Cell 83
(1995) 841-850) . Zahlreiche Untersuchungen zeigten, dass nukleare Rezeptoren einen starken Einfluss auf die
Entwicklung von hämatopoetischen Zellen haben. So regu- lieren zum Beispiel der Retinoide X-Rezeptor und der Thyroide Hormonrezeptor das Erytrozytenwachstum und die Erytrozytendifferenzierung (Bartunek et al . , Mol. Endo- crinol., 12 (1998) 1269 - 1279). In anderen Zellsystemen bewirkt die Aktivierung von RAR durch Retinsäure eine Hemmung des Zellwachstums und unterstützt die Differenzie-
rung. zu Neutriphilen (Collins et al . , Mol. Cell. Biol . 10 (1990) 2154 - 2163) . TR4 ist ein Orphan-Rezeptor, der mit dem TR2 Rezeptor eng verwandt ist. Beide Rezeptoren definieren eine Unterfamilie innerhalb der Steroid-/Thyroid- rezeptorfamilie (Hirose et al . , Mol. Endocriol . , 8 (1994) 1667 - 1680) .
Die Differenzierung und das Wachstum von verschiedenen Blutzellen ist ein entscheidender Prozess in der Indi- vidualentwicklung von höherentwickelten Organismen, insbesondere von Säugetieren. Störungen des Wachstums und der Differenzierung von Blutzellen bzw. von blutbildenden Zellen führen zu schweren Störungen der Physiologie des Organismus, wobei diese von geringfügigen Einschränkungen des Stoffwechsels bis zu schwersten Tumorerkrankungen reichen. Eine typische Erkrankung von blutbildenden Zellen kann beispielsweise die Leukämie sein. Die so genannten Leukämiezellen können sich beispielsweise im Knochenmark, meist auch im Blut und in lymphatischen Geweben, aber auch in allen anderen Organen des Organismus ansiedeln und dort zu weiteren pathologischen Prozessen führen. Im Stand der Technik sind verschiedene Verfahren beschrieben, um Tumorerkrankungen, die insbesondere blutbildende Zellen betreffen, zu diagnostizieren bzw. zu behandeln. Die derzeit zur Verfügung stehenden Verfahren und pharmazeutischen Mittel gestatten jedoch keine effiziente und sichere Diagnose bzw. Therapie von den genannten Tumorerkrankungen.
Aufgabe der Erfindung war es daher, Verfahren und Mittel bereitzustellen, mit denen Tumorerkrankungen, insbesondere solche, die das blutbildende System betreffen, frühzeitig diagnostiziert bzw. prophylaktisch behandelt, therapiert und/oder nachbehandelt werden können.
Die Erfindung löst dieses technische Problem durch die Verwendung von TR4, TR4-Aktivatoren, TR4-Inhibitoren und/oder TR4-assoziierten Molekülen zur Diagnose, Prophylaxe, Verlaufskontrolle, Therapie und/oder Nachbehandlung von Tumorerkrankungen und/oder Erkrankungen des Blutes .
Im Sinne der Erfindung wird unter TR4 ein Orphan-Rezeptor verstanden. TR4-assoziierte Moleküle sind demgemäss insbesondere Liganden, Antikörper oder aber auch Marker, die an dem Rezeptor binden. Dem Fachmann ist jedoch bekannt, dass er für bestimmte Untersuchungen des Orphan-Rezeptors nicht nur den Rezeptor selbst, sondern die den Rezeptor kodierende Nukleinsäure einsetzen kann. Unter TR4 wird daher im Sinne der Erfindung der Rezeptor sowohl auf der Nukleinsäure- als auch auf der Aminosäureebene verstanden. TR4 kann daher der Rezeptor sein, wie er natürlicherweise auf oder in den Zellen vorkommt, aber auch die Nukleinsäure, die für diesen Rezeptor kodiert. Selbstverständlich kann es sich bei TR4 Rezeptor auch um synthetisch herge- stellte Rezeptoren oder dessen Fragmente handeln. Bei dem Rezeptor kann es sich auch um modifizierte biologische Strukturen handeln, wie z.B. eine markierte Struktur wie HA-TR4 oder um eine modifizierte Form wie z.B. ein TR4 mit einer mutierten DNA-Bindungsdomäne wie ΔTR4. TR4 kodierende Nukleinsäuren sind alle Nukleinsäuren, die für eine Struktur kodieren, die analog zum Rezeptor ist und dessen biologische Funktion aufweist. TR4-assoziierte Moleküle können demgemäss alle biologischen oder chemischen Strukturen sein, die mit TR4 so in Wechselwirkung treten können, dass eine Interaktion detektierbar ist, wie z.B. RXR oder modifizierte Formen wie ΔRXR. Wenn statt des Orphan-Rezeptors TR4 die kodierende Nukleinsäure verwendet wird, sind im Sinne der Erfindung TR4-assoziierte Moleküle beispielsweise Promotoren oder regulatorische Elemente, die die Expression des Orphan-Rezeptors TR4 stimulieren bzw. inhibieren. Unter
TR4-assoziierten Molekülen können daher auch Antisense- Konstrukte verstanden werden, insbesondere RNA-Interferenz- moleküle, die die Expression des TR4 Orphan-Rezeptors unterdrücken. TR4-Inhibitoren oder TR4-Aktivatoren sind alle Moleküle, die die Wirkung des TR4 auf Nukleinsäure- oder Aminosäureebene inhibieren oder aktivieren. Beispielsweise ist RIP-140 ein mit TR4 interagierender Koaktivator, der dessen Aktivität modulieren kann. Dem Fachmann sind weitere Moleküle bekannt, die als TR4-Aktivator oder TR4- Inhibitor eingesetzt werden können. Die Erfindung betrifft also die überraschende Lehre, dass TR4, TR4-Aktivatoren, TR4-Inhibitoren und/oder TR4-assoziierten Molekülen auf der Protein- bzw. Nukleinsäureebene in der Diagnose, Prophylaxe, Verlaufskontrolle, Therapie und/oder bei Nach- behandlungen von Tumorerkrankungen und/oder Erkrankungen des Blutes verwendet werden können.
Tumorerkrankungen im Sinne der Erfindung sind alle pathologischen Veränderungen in Zellen bzw. Zellansammlungen, Zellaggregaten oder Geweben, die dazu führen, dass einzelne Zellen bzw. Zellgruppen kein normales Wachstums- bzw. Differenzierungsverhalten zeigen. Das heißt, die Zellen können sich beispielsweise unkontrolliert vermehren; es ist auch möglich, dass Blutstammzellen nicht mehr zu ausgereiften Blutzellen differenzieren, sondern in dem Stadium des Übergangs von einer Blutstammzelle zu einer differenzierten Zelle verbleiben und sich nicht zu einer ausgereiften Zelle entwickeln. Bluterkrankungen im Sinne der Erfindung können alle Abweichungen vom physiologischen Normwert sein, die einzelne Blutzellen oder Blutvorläuferzellen betreffen, wie zum Beispiel Morbus hämolyticus, Hämophilie, Blutungs- anomalien und bestimmte Formen der Leukämie, soweit sie nicht den Tumorerkrankungen zugeordnet werden. Erkrankungen des Blutes sind demgemäss alle pathologischen Änderungen der Erythrozyten bzw. der Erythrozyten-Vorläuferzellen, der
Granolozyten, Monozyten, Lymphozyten und der Thrombozyten sowie sämtlicher Vorläuferzellen dieser Zellen als auch alle pathologischen Veränderungen der Plasmaeiweiße oder anderer Bestandteile des Serums .
Erfindungsgemäß konnte unter anderem gezeigt werden, dass der Orphan-Rezeptor TR4 in hämatopoetischen Zellen und Geweben überraschend stark exprimiert wird und einen starken Einfluss auf diese Zellen ausübt. Demgemäss kann durch die Detektion des Orphan-Rezeptors auf Protein- bzw. Nukleinsäureebene, insbesondere der DNA- oder RNA-Ebene, durch Vergleich mit Kontrollwerten von gesunden Patienten diagnostiziert werden, ob sich einzelne Blut- bzw. Blutvorläuferzellen in einem physiologischen oder pathophysio- logischen Zustand befinden. Die Kontroll- oder Standardwerte können die Konzentration oder die Aktivität des Rezeptors, die Anzahl der ihn kodierenden Nukleinsäuren, die Konzentration oder Aktivität oder Liganden oder andere Parameter betreffen. Auch die Detektion von anderen TR4-as- soziierten Molekülen als der Ligand erlaubt diagnostische Rückschlüsse auf den Zustand einzelner Zellen bzw. der Gewebe, die den Rezeptor und/oder dessen kodierende Nukleinsäuren aufweisen. Sofern der Fachmann einen pathologischen Level an TR4 oder TR4-assoziierten Molekülen detektiert hat, ist er in der Lage, insbesondere durch gentechnische oder pharmakologische Eingriffe, die Aktivität oder die Konzentration an TR4 oder TR4-assoziierten Molekülen so zu modifizieren, dass wieder ein physiologischer bzw. normaler oder weitestgehend gesunder Zustand erreicht werden kann. Dem Fachmann sind derartige Methoden bekannt. Erfindungsgemäß wurde insbesondere gezeigt, dass TR4 die Proliferation von myeloiden Vorläuferzellen unterstützt oder induziert; sofern der Fachmann die Proliferation dieser Zellen insbesondere in einem Patienten oder aber auch in einem Kulturmedium verhindern will, kann er
gezielt Inhibitoren oder Antagonisten des TR4 auf Proteinoder DNA- oder RNA-Ebene einsetzen, um diese zu verhindern. Wenn der Fachmann hingegen in einem Organismus oder in einer Zellkultur die Proliferation von myeloiden Vorläufer- zellen induzieren will, kann er z.B. Aktivatoren einsetzen, die die Aktivität des Orphan-Rezeptors TR4 oder seiner Expression erhöhen. Dem Fachmann sind derartige Substanzen bekannt .
In einer besonderen Ausführungsform der Erfindung umfasst TR4 einen TR4-Rezeptor mit einer deletierte DNA- Bindungsdomäne. Im Sinne der Erfindung wird diese Struktur auch als ΔTR4 bezeichnet. Vorteilhafterweise ist der Orphan-Rezeptor, der eine deletierte DNA-Bindungsdomäne aufweist, nicht nur im Zellkern, sondern auch im Zytoplasma von TR4-transformierten Zellen, insbesondere Fibroblasten und Myeloidzellen, vorhanden. Mit Vorteil kann TR4 bei der Unterdrückung und Aktivierung von an Genexpressionen beteiligten Transkriptionsfaktoren verwendet werden. Diese doppelte Aktivität von TR4 ist insbesondere von den TR4- DNA-Kontakten oder von TR4-Kofaktoren-Bindungen abhängig, es ist selbstverständlich auch möglich, dass die Aktivität von beiden Kontakten bzw. Bindungen abhängig ist. Vorteilhafterweise lagert sich TR4 mit einer deletierten DNA- Bindungsdomäne nicht an bestimmte TR4-Bindungsstellen, wie beispielsweise AGGTCAAAGGTCA, an. Im Gegensatz zu TR4 unterdrückt TR4 mit der deletierten DNA-Bindungsdomäne - ΔTR4 - die transkriptionelle Aktivierung, die von RXR abhängt bzw. die Thyoridhormonrezeptor-abhängige transkriptionelle Aktivierung. So kann ΔTR4 in Verfahren oder Verwendungen eingesetzt werden, in denen die Unterdrückung der Transkription oder einer Bindung an die DNA nicht erwünscht . ist . Überraschenderweise erlaubt ΔTR4 einen Auswuchs an Myeloidzellen. Vorteilhafterweise sind TR4 und ΔTR4 hinsichtlich ihrer Morphologie als auch ihrer Zelloberflächenmarker-
expression identisch. Das heißt, die Wachstumsfördernde Aktivität von TR4 ist auch bei ΔTR4 vorhanden, wobei ΔTR4 mit Vorteil die Transkription nicht unterdrückt bzw. DNA nicht bindet .
In einer weiteren bevorzugten Ausführungsform der Erfindung sind TR4-assoziierte Moleküle entweder Liganden, RXR und/oder RIP-140. Dem Fachmann sind verschiedene Liganden, insbesondere kleine niedermolekulare Moleküle, bekannt, die eingesetzt werden können, um spezifisch an dem Rezeptor TR4 zu binden. Bevorzugt können TR4-assoziierte Moleküle aber auch RXR und/oder RIP-140 sein. TR4 wirkt auf die RXR- vermittelte Transkription stark repressiv. Es ist jedoch auch möglich, neben RXR auch eine RXR-Struktur einzusetzen, die keine DNA-Bindedomäne mehr besitzt bzw. dessen DNA- Bindedomäne deletiert ist. RIP-140 ist ein mit TR4 interagierender Koaktivator, der vorteilhafterweise zur Diagnose, Prophylaxe, Verlaufskontrolle, Therapie und/oder Nachbehandlung von Tumorerkrankungen und/oder Erkrankungen des Blutes verwendet werden kann.
In einer bevorzugten Ausführungsform ist die Therapie und/oder Nachbehandlung der Tumorerkrankung und/oder der Erkrankungen des Blutes eine Differenzierungstherapie. Bei der Differenzierungstherapie können insbesondere nichttoxische pharmazeutische Zusammensetzungen verwendet werden, um eine terminale Differenzierung von insbesondere leukämisehen Zellen zu induzieren oder zu fördern. Solche Substanzen können beispielsweise PMA, Retinoide, Vitamin D, Vitamin E, Vitamin A, Beta-Carotin, Östrogene, Gluko- kortikoide, Interferone, TNF, Dimethylsulfoxide, N-Methyl- formamide und PKC-Aktivatoren bzw. -Inhibitoren sein. All diese Substanzen können zusammen mit TR4, TR4-Aktivatoren, TR4-Inhibitoren und/oder TR4-assoziierten Molekülen verwen-
det werden, um Tumorerkrankungen und/oder Erkrankungen des Blutes zu therapieren.
In einer weiteren bevorzugten Ausführungsform der Erfindung werden TR4, TR4-Aktivaroren, TR4-Inhibitoren und/oder TR4- assoziierte Moleküle verwendet, um ein Arzneimittel zur Behandlung von Tumorerkrankungen und/oder Erkrankungen des Blutes herzustellen. Das Arzneimittel kann neben den genannten Strukturen insbesondere mindestens einen pharma- zeutisch verträglichen Träger umfassen.
In einer bevorzugten AusführungsVariante der Erfindung wird als Tumorerkrankung eine Leukämie diagnostiziert und behandelt. Bevorzugt werden als Leukämie eine Präleukämie, eine akute Leukämie, eine akute lymphoblastische Leukämie, eine akute myeloische Leukämie, eine akute undifferenzierte Leukämie, eine chronische myeloische Leukämie, eine sekundäre Leukämie und/oder eine chronische lymphatische Leukämie diagnostiziert und/oder behandelt. Leukämie im Sinne der Erfindung ist ein Sammelbegriff für Erkrankungen, die durch maligne Transformation hämatopoetischer und/oder lymphatischer Zellen entstehen, wobei eine Proliferation und Akkumulation neoplastischer Zellen - der so genannten Leukämiezellen - primär im Knochenmark stattfindet, meist aber auch im Blut und in lymphatischen Geweben und in anderen Organen. Die Symptome resultieren insbesondere aus der Verdrängung normaler Blutzellen, der Beeinträchtigung des Immunsystems und der Infiltration atypischer Zellen in Organen und führen unter anderem zu Anämie, Blutungen, Infektionen, Reizerscheinungen, Vergrößerungen und Funktionsminderungen befallener Organe, wie zum Beispiel bei der Meningoencephalomyelopathia leucaemica, die mit einer Niereninfiltration kombiniert auftreten kann. Die akute Leukämie bzw. die' unreifzellige Leukose ist eine Erkrankung der hamatopoetischen Stammzellen mit Proliferation unreifer
Blasten im Knochenmark und meistens auch im Blut. Die akute lymphatische Leukämie bzw. akute lymphoblastische Leukämie ist die häufigste Leukämie des Kindesalters, deren Patho- genese durch eine maligne Transformation einer lymphatisch determinierten Stammzelle geprägt ist. Im Sinne der Erfindung wird unter einer akuten lymphatischen Leukämie auch lymphoblastische Non-Hodgkin-Krankheit verstanden. Die akute myeloische Leukämie bzw. die akute nichtlymphatische Leukämie ist im Sinne der Erfindung eine Leukämie die zirka 80 % aller akuten Leukämien im Erwachsenenalter betrifft und die zweithäufigste Leukämie des Kindesalters ist. Diese Krankheit wird durch die maligne Transformation einer myeloisch determinierten Stammzelle induziert. Die akute undifferenziert Leukämie ist eine selten diagnostizierte Form, der im Sinne der Erfindung die meisten Leukämien zugeordnet werden können. Die chronische lymphatische Leukämie ist eine häufige chronische Leukämie, die einen niedrigen Malignitätsgrad aufweist und durch Milz- und Lebervergrößerung charakterisiert ist. Die chronische myeloische Leukämie ist eine Leukämie im mittleren Lebensalter, wobei im Sinne der Erfindung in den meisten Fällen das erworbene Philadelphia-Chromosom nachweisbar ist. Die chronische myelomonozytäre Leukämie ist eine zu den myelo- dysplastischen Syndromen gehörende Stammzellerkrankung. Die schwelende Leukämie ist die langsame Verlaufsform einer akuten - meist myeloischen - Leukämie, die durch eine niedrige DNA-StoffWechselaktivität in den Knochenmarks- zellen nachweisbar ist. Die sekundäre Leukämie ist im Sinne der Erfindung ein nicht einheitlich verwendeter Begriff, da sekundäre Leukämien infolge anderer hamatopoetischer Stammzellenerkrankungen, insbesondere Myelodysplasien, entstehen können, demgemäss sind auch alle Leukämieformen durch toxische Einflüsse sekundäre Leukämien im Sinne der Erfindung. Neben der Verwendung von TR4, TR4-Aktivatoren, TR4- Inhibitoren und/oder TR4-assoziierten Molekülen können zur
Behandlung der genannten Leukämien auch eine intrathekale Chemotherapie, adäquate supportive Maßnahmen wie Blutzell- ersatz, Infektionsprophylaxe bzw. -behandlung zum Einsatz kommen. Weiterhin ist eine Behandlung mit Zytostatika oder einer Knochenmarkstransplantation möglich. Selbstverständlich können die betreffenden Patienten auch durch eine Splenektomie, gegebenenfalls mit Gammaglobulinen, eine Milzbrandbestrahlung, Gabe von Zytostatika sowie Inter- feronen und ähnlichen dem Fachmann bekannten Therapie- Schemata behandelt werden.
Die Erfindung betrifft auch die Verwendung von TR4 , TR4- Aktivatoren, TR4-Inhibitoren und/oder TR4-assoziierten Molekülen zur Proliferation und/oder Differenzierung von Blutzellen, pluripotenten und/oder determinierten Stammzellen. TR4, ΔTR4, bzw. TR4-Aktivatoren, -Inhibitoren und/oder TR4-assoziierte Moleküle können zur Proliferation, Differenzierung und/oder zum Auswachsen von verschiedenen Zellen, insbesondere Blutzellen und Blutvorläuferzellen, verwendet werden.
In einer weiteren vorteilhaften Ausführungsform der Erfindung werden TR4, TR4-Aktivatoren, TR4-Inhibitoren und/oder TR4-assoziierte Moleküle verwendet, um Blutzellen bzw. pluripotente und/oder determinierte Stammzellen zu proli- ferieren oder um ein Auswachsen dieser Zellen zu induzieren.
In einer weiteren bevorzugten Ausführungsform der Erfindung werden TR4 ; TR4-Aktivatoren, TR4-Inhibitoren und/oder TR4- assoziierte Moleküle verwendet, um eine terminale Differenzierung von Blutzellen, hamatopoetischen Zellen, pluripotenten und/oder determinierten Stammzellen zu verhindern.
Die Erfindung betrifft auch die Verwendung von TR4 , TR4-Aktivatoren und/oder TR4-assoziierten Molekülen zur Herstellung von myeloiden Vorläuferzellen. Myeloische Vorläuferzellen sind alle Zellen, die sich zu Megakaryozyten, Thrombozyten, Eosinophilen, Neutrophilen, Basophilen, Mast- zellen, Makrophagen, Monozyten sowie antigen-präsentieren- den Zellen entwickeln können.
Die Erfindung betrifft auch die Verwendung von TR4, TR4- Aktivatoren, TR4-Inhibitoren und/oder TR4-assoziierten Molekülen zum Screenen von Arzneimitteln. Durch die erfindungsgemäße Lehre und durch die erfindungsgemäße Detektion des hohen Anteils von TR4 bzw. von TR4-assoziierten Molekülen in pluripotenten, determinierten Stammzellen und/oder in hamatopoetischen Zellen ist es dem Fachmann möglich, gezielt Arzneimittel zu screenen, die mit TR4 bzw. mit TR4- assoziierten Molekülen, insbesondere Liganden von TR4 , interagieren. Dem Fachmann ist bekannt, dass er alle kombinatorischen Techniken verwenden kann, um Arzneimittel zu screenen, die mit TR4 bzw. mit TR -assoziierten Molekülen wechselwirken können. Hierzu können beispielsweise die Methoden der multiplen Peptidsynthese, der Nanosynthese- reaktionen oder freie und polymergebundene Polymerbibliotheken bzw. niedermolekulare Bibliotheken verwendet werden. Weiterhin ist es möglich, mit Hilfe der phage display Methode, der kombinatorischen Mutagenese bzw. der in vitro- Proteinsynthese Bibliotheken zu analysieren, um Strukturen zu detektieren, die mit TR4 bzw. TR4-assoziierten Molekülen als potentielles Arzneimittel wechselwirken. Auch grund- legende Arbeiten zum Erzeugen von Bibliotheken sind dem Fachmann bekannt, wie beispielsweise die Pinsynthese, das Verfahren des Aufteilen-Mischens, des Teilen-Kuppeln-Wie- dervereinigens, die pro Korn eine Peptid geteilte Synthese, die parallel-chemische Synthese und/oder die Spot-Synthese. Das identifizierte Produkt kann dann mit Hilfe einer Mikro-
Synthese wie beispielsweise einer Mikrosequenzierung bzw. einer Massenspektrometrie, einer Affinitätsselektion, einer chemischen Kodierung oder anders bestimmt werden.
Die Erfindung betrifft auch die Verwendung von TR4 und/oder TR4-assoziierten Molekülen zum Identifizieren oder Isolieren eines TR4-Antagonisten oder Aktivators bzw. Agonistens, wobei der potentielle Aktivator oder Antagonist mit dem TR4 und/oder TR4-assoziierten Molekülen in Kontakt gebracht wird und die Bindung, Aktivierung oder Inhibierung des TR4 oder der TR4-assoziierten Moleküle bestimmt wird. Nachdem erfindungsgemäß TR4 als Orphan-Rezeptor auf oder in hamatopoetischen Zellen detektiert wurde, ist es für den Fachmann möglich, mit Hilfe von Assoziations-, Inter- aktions- oder Bindungstests zu bestimmen, welche Liganden oder Antagonisten oder Aktivatoren an TR4 binden können und eine physiologische bzw. pathophysiologische Signalkette induzieren.
Die Erfindung . betrifft auch eine pharmazeutische Zusammensetzung umfassend TR4, TR4-Aktivatoren, TR4-Inhibitoren und/oder TR4-assoziierte Moleküle, gegebenenfalls mit einem pharmazeutisch verträglichen Träger. Mit der Zusammensetzung kann insbesondere die Aktivität des TR4-Rezeptors beeinflusst werden.
Die Erfindung betrifft auch ein Diagnosekit, der TR4, TR4- Aktivatoren, TR4-Inhibitoren und/oder TR -assoziierte Moleküle umfasst.
Im Folgenden soll die Erfindung anhand eines Beispiels näher erläutert werden, ohne auf dieses Beispiel beschränkt zu sein.
Beispiel
Zellen und Zellkultur
Es wurden Hühnerknochenmarkzellen von 3 bis 10 Tage alten SPAFAS-Hühnern präpariert und die Zellen kultiviert. Dazu wurden die Knochenmarkzellen 2 bis 4 Stunden in Standard- Nährmedium, bestehend aus DMEM, 8 % fötalem Kälberserum, 2 % Hühnerserum, 20 mM HEPES (pH 7,3) sowie 100 Einheiten Penicillin/Streptomycin, Standard-Nährmedium gezüchtet. An- schließend wurden die nicht adhärenten Zellen aufbereitet und zur Infektion eingesetzt und die infizierten Zellen in DMEM, 8 % FCS, 5 % Hühnerserum, 0,128 mg/ml Hühnertransfer- rin (Conalbumin) , 100 ng/ml rekombinantem Hühner-Stammzellenfaktor, 20 mM HEPES (pH 7,3) sowie 100 Einheiten Peni- cillin/Streptomycin bei einer Zelldichte von 2 bis 3 x 106 Zellen/ml kultiviert.
Die Hühnerembryo-Fibroblasten wurden in dem Standard-Nährmedium gezüchtet. Die Herstellung der virusproduzierenden Hühnerembryo-Fibroblasten und die Infektion der Knochenmarkzellen erfolgte nach Standardmethoden. Dabei wurden die Infektionen in Anwesenheit von 1 μg/ml rekombinantem Humaninsulin und 100 ng/ml Stammzellenfaktor durchgeführt.
Konstruktion retroviraler Vektoren
Es wurde ein retroviraler Vektor konstruiert, der die komplette Stranglänge der TR4-CDNA abwärts entlang des CMV- Promoters enthielt. Dazu wurde Wildtyp Human-TR4 an der EcoRI-Schnittstelle von pSFCV-LE eingebaut. Die mit Hä agglutinin markierten TR4-Versionen wurden zunächst in einen Trägervektor umgewandelt, der Kodiersequenzen für drei Hämagglutinin-Epitope aufwärts entlang der Klonstellen enthielt. In der HA-ΔTR4-Aminosäure wurden die Positionen 64 bis 232, die die gesamte DNA-Bindedomäne des Human-TR4 umfassen, entfernt. Anschließend wurden an den EcoRV-EcoRI-
Stellen von pSFCV-LE HA-TR4 und HA-ΔTR4 eingebaut. Rekombinante retrovirale Vektoren, die RXR und von seiner DNA-Bindedomäne befreites -ΔRXR sind bereits Stand der Technik.
cDNA-Synthese und PCR
Die RNA-Herstellung, cDNA-Synthese und PCR-A plifikation erfolgt nach den Standardverfahren. Dazu wurde zunächst aus 2 - 5 μg Gesamt-RNA unter Verwendung von 100 U M-MLV- Revertase und Random-Hexamer-Primern in einer Gesamtmenge von 20 bis 50 μl Strang-cDNA synthetisiert. Für die PCR- Amplifikation wurde ein Satz degenerierter Primer für den die DNA-Bindedomäne der nuklearen Rezeptoren kodierenden Bereich entwickelt . Diese Primer wiesen die folgenden Sequenzen auf :
NHRl 5 ' -GAYRARDCNWSNGGNTDYCAYT-3
NHR2: 5' -GAYMGNDSNWSNGGNAARCAYT-3 ' ;
NHR3: 5' -CAYTTNYKNWRNCKRCANKMNKGRCA-3 ' ;
NHR4: 5' -TGYAARNNNTTYTTYMRNMG-3 ' . Die Strang-cDNA wurde zunächst 40 Zyklen einer PCR-Amplifi- kation unter Verwendung von Taq-DNA-Polymerase und mit dem folgenden Zyklusprofil unterzogen: 30 Sekunden bei 94 °C, 90 Sekunden bei 37 °C sowie 20 Sekunden bei 72 °C. Dabei wurden die folgenden Primerkombinationen eingesetzt : Bei der ersten Reaktion NHRl bzw. NHR2 gemeinsam mit NHR3. Das Produkt dieser Reaktion wurde im Verhältnis 1:300 verdünnt und als Matrix für die Reaktion mit NHR3 und NHR4 eingesetzt. Die PCR-Produkte wurden gelelektrophoretisch gereinigt und in den Vektor pCRII eingebaut. Die entstandenen Klone wurden sequenziert und anschließend die Sequenzen mit dem Tool BLAST zur Identifikation funktioneller Einheiten analysiert. Die Genbank-Zugangsnummer für die Hühner-TR4 ist AF133054.
RNA- Analyse
Die RNA wurde mit Standardverfahren aus Gewebe und den folgenden Zellen isoliert: Humanzellen: K562 (Erythroid) ; U937, HL60 (Myeloid) ; Namalwa, Raj i (B-Lymphoid) ; CEM, Jurkat (T-Lymphoid) sowie HepG2 (Leber) . Maus: MEL, E31 (Erythroid); WEHI-3, RAW (Myeloid); A20 (B-Lymphoid) sowie NIH3T3 (Fibroblast) . Huhn: DT40 (B-Lymphoid) ; MSB-1 (T- Lymphoid) sowie v-relER-umgewandelte Progenitoren und dendritische Zellen. Folgende Primärzellen wurden ver- wendet: Humanzellen: Erythroid- rogenitoren, periphere Blut-T-Zellen und Monozyten; Mauszellen: dendritische Zellen; Hühnerzellen: SCF- und STED-Erythroblasten Es wurden jeweils 15 μg RNA per Northern-Blot analysiert. Dazu wurden die Filter mit 32P-markierten Human- oder Hühner-TR4-spezifischen Sonden hybridisiert, mäßig intensiv gewaschen und fotografiert .
Durchflusszytometrie
Für die Durchflusszytometrie wurden Zellen gewonnen, mit PBS (1% BSA) gewaschen und mit Primär-Antikörpern (1 h) inkubiert. Dazu wurden die folgenden monoklonalen Antikörper eingesetzt: MC47-83, MC51-2, MC22-3; Kl, 2G11; JS8 und JS4, CD3, CD4 und CD8 ; MEP17, MEP21, MEP26 und EOS47; DM-GRASP (BEN1) ; HEM-CAM-Antikörper; CD44 (AV6) . Anschlie- ßend wurden die Zellen eine Stunde mit FITC-konjugiertem Antimaus-IgG inkubiert, gewaschen und in PBS (1 % BSA, 2 μg/ml Propidiumjodid) aufgeschlämmt, um die lebensfähigen Zellen austreten zu lassen. Diese Zellen wurden mittels Durchflusszytometrie analysiert.
Western-Blot
Die gesamten Zellextrakte wurden auf einem 10-prozentigen SDS-PAGE-Gel aufbereitet und auf Nitrozellulose-Membranen geblottet . Es wurden dabei die folgenden Antikörper ein- gesetzt: Anti-Hämagglutinin 12CA5, Anti-CEBPß, Anti-Mim-I.
Anschließend wurden die Blots gewaschen und mit dem entsprechenden Sekundär-Antikörper 45 min lang in PBS (5 % fettfreies Milchpulver) bei Raumtemperatur inkubiert, entwickelt und fotografiert .
Immunofluoreszenz
Die, die TR4-Versionen enthaltenden Hühnerembryo-Fibroblasten wurden wie oben kultiviert und mit Trypsin versetzt. Anschließend wurde ihnen die Möglichkeit gegeben, sich an Glasträgern anzuhaften (1 h, 37 °C) . Die Zellen wurden gewaschen und mit PBS (3,7 % Paraformaldehyd) für 15 Minuten fixiert. Nach der Fixierung wurden die Zellen mit PBS (0,5 % NP-40) durchlässig gemacht (15 min), mit 0,5- prozentigem thermisch inaktiviertem FCS in PBS für 30 Mi- nuten inkubiert, um mögliche unspezifische Bindungen zu blockieren, und 1 h lang einer Reaktion mit Anti-Hämag- glutinin 12CA5, gefolgt von einer Reaktion mit FITC- konjugiertem Antimaus-IgG (1 h) unterzogen. Des Weiteren wurden die Proben mit TRITC-markiertem Phalloidin auf Actin angefärbt. Zum Färben der Zellkerne wurde DAPI (0,5 mg/ml) verwendet. Die Proben wurden mit PBS gewaschen und in Mowiol 4.88 mit einem Gehalt von 50 mg/ml DABCO als Bleichschutzmittel fixiert. Sämtliche Inkubationen wurden bei Raumtemperatur durchgeführt .
Proteinreinigung und -Sequenzierung
Es wurden die mit Coomassie-Blau gefärbten Proteinbanden entfernt und im Gel mit Trypsin aufgeschlossen. Mit Hilfe der reversed phase HPLC (μRPC C2/ C18 SC 2. l/10-Säule) wurden Trypsinpeptidkarten erstellt. Die Durchflussgeschwindigkeit betrug 100 μl/min bei 25 °C unter Anwendung eines linearen Acetonitril-Gradienten in 0,1 % Trifluor- essigsäure. Die interessierenden Peptide wurden auf eine mit Biobrene beschichtete Glasfilterfaser eines Procise-
Sequenators aufgetragen. Die anschließende Sequenzierung erfolgte mit Hilfe von Standardprotokollen.
Banden-Shift-Assays Die Hühnerembryo-Fibroblasten wurden in einer Pufferlösung aus 20 mM Tris pH 7,5, 2 mM DTT, 20 % Glyzerol sowie 400 mM KCl -(1 h auf Eis) aufgelöst. Die vollständigen Zellextrakte (5 - 10 μg) wurden 15 Minuten auf Eis mit einem 32P-mar- kierten Oligonukleotid inkubiert, das die DRl-HRE-Bindungs- stelle
5 ' -GGGGATCCGGCAGAGGTCAAAGGTCAAACGT-3 ' enthielt. Als nicht spezifisches Konkurrenzreagens wurde Poly-dl-dC (1 μg pro Reaktion) zugegeben. Für Konkurrenz- experimente wurde eine mutierte Version der DRl-HRE-Stelle
5 ' -GGGGATCCGGCAGTGGACAATGGACAAACGT-3 '
eingesetzt. Die Bindungsreaktiσnen wurden auf 5-prozentigem Polyacrylamidgel in 0,25x TBE separiert.
Transiente Transfektionen
Mittels Kalziumphosphatfällung wurden die Hühnerembryo- Fibroblasten vorübergehend mit retroviralen Expressionsvektoren, die TR4, HA-TR4 bzw. HA-ΔTR4 enthielten, in Kombination mit eukaryotisehen Expressionsvektoren, die RXR in pSG5 trugen, sowie einem Luziferasereporter mit Ratten- CRBPII-RXRE transfiziert . Um die Transfektionseffektivität zu normalisieren, wurden weiterhin RSV-ß-Galactose bzw. pCHHO-Plasmide kotransfiziert . Die transfizierten Zellen wurden in einem Standard-Nährmedium gezüchtet, das weitest- gehend aus Retinoiden entzogenes FCS und Hühnerserum enthielt. Es wurde 9cRA (10"6 M) hinzugefügt. Achtundvierzig Stunden später wurden die Zellextrakte präpariert und hinsichtlich ihrer Luziferase- sowie ß-Galactosidase-Aktivität
analysiert. Zur Untersuchung der ß-Galactosidase-Aktivität wurden die Luziferasewerte normalisiert.
Es wurde gefunden, dass der Orphan-Rezeptor TR4 in hamatopoetischen Zellen und Geweben überraschend stark exprimiert wird und einen starken Einfluss auf diese Zellen ausübt. Ferner wurde gefunden, dass im Knochenmark mittels eines Retrovirusvektors ektopisch exprimiertes TR4 die Proli- feration von myeloiden Progenitorzellen fördert. Ein weiterer Befund ist, dass die Aktivität von TR4 nicht ausschließlich von seiner Assoziation mit DNA abhängt, weil die Expression einer mutierten Version von TR4 ohne DNA- Bindungsmöglichkeit zum selben proliferativen Potential führt wie bei Wildtyp-TR4.
Aus diesen Untersuchungen ergibt sich insgesamt, dass der Orphan-Rezeptor TR4 ein wichtiger Regulator der Proliferation und der Entwicklung myeloider Progenitorzellen ist.
Um das Expressionsprofil von nuklearen Rezeptoren in hamatopoetischen Zellen zu bestimmen, wurde eine auf RT-PCR gestützte Strategie angewandt, die sich degenerierter Primer mit der in einem hohen Maße erhaltenen DNS-Binde- domäne der nuklearen Rezeptoren bediente. Es wurde festgestellt, dass mehrere Mitglieder der nuklearen Rezeptor- Genfamilie in verschiedenen aus Hühnerknochenmark gewonnenen Progenitortypen vorkommen. Interessanterweise entsprach einer der den Untersuchungen zur Erfindung am meisten vorhandenen cDNA-Klone dem Hühnerhomolog des nuklearen Orphanrezeptors TR . Um das Expressionsmuster von TR4 näher zu untersuchen, wurden Human- und Hühner-TR4-CDNA als Sonden in Northern-Blots eingesetzt, die ein RNA-Feld aus hamatopoetischen und nicht hamatopoetischen Geweben und Zelltypen enthielten (Abb. 1A, B und C) .
Eine auffällige TR4-Expression wurde in Humanmyeloid- Zelllinien (U937, HL60) und Primärmonozyten sowie dendritischen Zellen festgestellt (Abb. 1A) . Ähnlich stark war TR4 in Rattenmyeloidzellen ausgeprägt (Abb. 1B) . Im T-Zel- len fand sich mäßig, in B-Zellen nur wenig TR4. Zusätzlich ließ sich TR4 sofort in Erythroid-Zelllinien des Menschen, der Maus und des Huhns (K562, E31 bzw. HD3) sowie in den Primärprogenitoren der roten Blutkörperchen feststellen (Abb. 1A, B und C) . Wie zu erwarten war, fand sich eine hohe TR4-Expression im Hirn. Im Thymus war der TR4-Spiegel ebenfalls hoch, in Bursa und Milz etwas geringer (Abb. IC) . Entsprechend wurden TR4-Transkripte in B-, T- und dendritischen Zellen von Hühnern gefunden. Folglich liegt TR4 in einer ganzen Reihe verschiedener Zelltypen des hämato- poetischen Systems vor.
TR4 induziert wirksam die Proliferation von Myeloid-Proge- nitorzellen.
Während frühere Studien die Bedeutung von TR4 für die Unterdrückung verschiedener NR-Pfade aufgezeigt haben, wurde der Einfluss von TR4 auf Primärzellen, insbesondere des hamatopoetischen Systems, bisher noch nicht untersucht. Folglich wurde, um einen Einblick ,in die potentielle Rolle von TR4 für die hamatopoetischen Zellen zu gewinnen, TR4 ektopisch in Knochenmarkzellen von Hühnern expri iert und die Wirkungen des Rezeptors auf die Proliferation bzw. Entwicklung dieser Zellen untersucht. Zu diesem Zweck wurden ein TR4-CDNA tragender retroviraler Vektor konstru- iert und in die Hühnerembryo-Fibroblasten transfiziert sowie die Neomyzin-resistenten Zellen selektiert. Die Zellen wiesen ganz augenscheinlich das TR4-Protein . auf (Abb. 3) und wurden als Quelle zur Infektion der Knochenmarkzellen mit dem Virus eingesetzt. Mit Pilot-Experimen- ten, bei denen unterschiedliche Kulturbedingungen mit ver-
schiedenen Kombinationen aus Wachstumsfaktoren, Hormonen, Seren und konditionierten Medien eingesetzt wurden, gelang es, das Wachstum der mit TR4 infizierten Progenitorzellen zu optimieren. Die auffälligste Beobachtung bestand darin, dass TR4 innerhalb von 4 bis 5 Tagen einen Auswuchs der Zellen verursachte, was bei den mit einem leeren Vektor infizierten Vergleichskulturen nicht festgestellt werden konnte (Abb. 2) . Die Zellen wuchsen in großen Aggregaten, die aus mehreren Hunderten von Zellen bestanden (Abb. 2) . Nach 14 bis 16 Tagen hörte diese Proliferation auf.
Die histologische Untersuchung der TR4-Zellen ergab eine Ähnlichkeit mit Myeloid-Progenitoren (Abb. 2) . Die Zellen wiesen einen Durchmesser von durchschnittlich 9 μ auf und wurden des Weiteren per Durchflusszytometrie unter Verwendung eines Paneels monoklonaler Antikörper hinsichtlich des Auftretens von Zelloberflächenmarkern charakterisiert (Abb. 2) . Dabei wurde in den TR4-Zellen eine hohe Expression der Myeloidmarker MC47-83, MC51-2 und MC22-3 sowie MHC Klasse II festgestellt. Die Prüfung auf Kl, einen Makrophagenmarker, verlief negativ. Unter Verwendung des Antikörpers JS8 wurde wie (seitdem sich die Zellen in der exponentiellen Wachstumsphase befanden) erwartet, ein Transferrinrezeptor gefunden. Die TR4-Zellen wiesen jedoch weder die T-Zell-spezifischen Marker (CD3, CD4 und CD8) noch den erythroidspezifischen Marker (JS4) oder den eosinophilen Marker (EOS47; Abb. 2) auf. Ebenso fand sich kein HEM-CAM, ein Adhäsionsmolekül früher hamatopoetischer Progenitoren, wogegen CD44, ein weiteres, in Form ver- schiedener hamatopoetischer Zelltypen auftretendes Adhäsionsmolekül, nachgewiesen werden konnte. Des Weiteren fand sich in den TR4-Zellen MEP17/α2/ßl Integrin, während das in starkem Maße auf Thrombozyten und multipotenten Myeloid-Progenitoren, Thrombozyt- sowie Erythroidzellen vorkommende MEP21/Thrombomucin fehlte.
Es kann geschlussfolgert werden, dass TR4-Zellen auf Grund ihrer morphologischen Eigenschaften und des Profils ihrer Zelloberflächen arker Myeloid-Progenitoren sind.
Die Wachstumsfördernde Aktivität von TR4 wird bei der Deletion seiner DNA-Bindedomäne beeinträchtigt, jedoch nicht beseitigt.
TR4 wurde als an der Unterdrückung und Aktivierung von Genexpressionen beteiligter Transkriptionsfaktor beschrieben. Diese doppelte Aktivität kann in erheblichem Maße von den TR4-DNA-Kontakten oder TR4-Kofaktor (en) -Bindungen oder beidem abhängig sein. Um zu untersuchen, welche Aktivität von TR4 an der hier beobachteten Wachstumsförderung von Knochenmarkzellen beteiligt sein könnte, wurden folglich Retroviren, die mit Hämagglutinin markierte TR -Versionen mit vollständiger Stranglänge oder mutantes TR4 ohne dessen DNA-Bindung enthielten, konstruiert und analysiert (Abb. 3) . Per Western-Blot unter Verwendung eines Anti-
Hämagglutinin-spezifischen Antikörpers wurde eine wirksame
Expression der HA-TR4- und HA-ΔTR4-Proteine festgestellt
(Abb. 3B) . Zusätzlich wurde die subzelluläre Lokalisation der TR4-Proteine per indirekter Immunofluoreszenz ermittelt (Abb. 3) . In den Hühnerembryo-Fibroblasten war HA-TR4 deutlich auf den Zellkern beschränkt, während das HA-ΔTR4-Protein sowohl im Zellkern als auch im Zytoplasma auftrat. Die letztgenannte Beobachtung überrascht nicht, teilen sich doch TR4 und sein nächster "Verwandter" TR2 in ihrer DNA- Bindedomäne ein in höchstem Maße homologes Zellkernlokalisierungssignal und es ist ja eben dieses Motiv, das bei HA-ΔTR4 entfernt wurde. Erwartungsgemäß verlief das Anfärben von leere Vektoren enthaltenden Hühnerembryo- Fibroblasten mit Hämagglutinin-spezifischen Antikörpern negativ.
Mit Hilfe von Banden-Shift-Assays wurde nachgewiesen, dass HA-TR4 sich wirksam an der in DR1-HRE (AGGTCAAAGGTCA) enthaltenen TR4-Bindungsstelle angegliedert hatte, HA-ΔTR4 da- gegen nicht (Abb. 4) . Die HA-TR4 entsprechende Bande war geringfügig stärker verschoben als beim nicht markierten TR4. Die HA-TR4-Bindung war deutlich spezifisch, da sie von nicht markiertem DR1-HRE, jedoch nicht von einem mutierten Oligonukleotid wirksam kompetitiert wurde (Abb. 4). Darüber hinaus war der Anti-Hämagglutinin-spezifische monoklonale Antikörper in der Lage, einen Supershift der TR4-HA-Bande zu bewirken, wogegen er auf das Muster des HA-ΔTR4 keinen Einfluss hatte. Diese Daten wurden des Weiteren durch Shift-Western-Experimente bestätigt, bei denen die Proteine in dem Shiftgel auf eine Membran übertragen und mit dem Anti-Hämagglutinin-Antikörper sondiert wurden. Erwartungsgemäß erkannte der Antikörper dabei HA-TR4, was der einem Shift unterzogenen Bande entsprach.
Es wurden transiente Transfektionsexperimente zur Analyse der transkriptioneilen Aktivität von TR4-Konstrukten durchgeführt. Dabei wurde festgestellt, dass HA-TR4 die RXR- und Thyroidhormonrezeptor-abhängige transkriptionelle Aktivierung unterdrückt, HA-ΔTR4 dagegen nicht (Abb. 4) . Ähnliche Ergebnisse wurden bei hamatopoetischen Zellen (HD3-Eryth.ro- blasten) gewonnen.
Nach der Feststellung, dass HA-ΔTR4 weder die DNA bindet noch die Transkription unterdrückt, sollte im nächsten Schritt untersucht werden, ob für den beobachteten TR4- induzierten Phänotyp die DNA-Bindeaktivität von TR4 verantwortlich ist. Dazu wurden HA-TR4- und HA-ΔTR4-Retroviren eingesetzt, um wie oben beschrieben Knochenmarkzellen zu infizieren. HA-TR4 verhielt sich identisch wie nicht modi- fiziertes TR4, so dass problemlos wachsende Myeloidzellen
erhalten wurden. Überraschenderweise wurde auch bei HA-ΔTR4 ein Auswuchs an Myeloidzellen beobachtet, wenn auch die Gesamtzahl der Zellen etwas geringer als bei HA-TR4 ausfiel. Erwartungsgemäß wiesen die mit einem Neovirus infizierten Kontrollzellen ein eingeschränktes Wachstumspotential auf und beendeten die Proliferation nach 4 bis 6 Tagen • in der Kultur. Darüber hinaus zeigten die mit Retroviren umgewandelten Zellen deutlich Hämagglutinin- markierte TR4-Proteine, wie eine Western-Blot-Analyse unter Verwendung des Anti-Hämagglutinin-spezifischen Antikörpers ergab. Schließlich konnte festgestellt werden, dass TR4 , HA-TR4 und HA-ΔTR4 sowohl hinsichtlich ihrer Morphologie als auch ihrer Zelloberflächenmarker-Expression identisch sind.
Zusammenfassend lässt sich schlussfolgern, dass TR4 und in einem geringeren Maße auch HA-ΔTR4 wirksam einen Auswuchs an Myeloidzellen aus Knochenmark unterstützten, was zeigt, dass die wachstumsfördernde Aktivität von TR4 durch die Deletion seiner DNA-Bindedomäne nicht verloren geht.
RXR und seine DNA-bindungslose Variante ΔRXR wiederholen die TR4-Wirkungen auf Knochenmarkzellen nur unvollständig.
Wie bereits oben beschrieben, wirkt TR4 auf RXR-vermittelte Transkriptionen stark repressiv. Daher wurde ein ΔRXR, der keine DNA-Bindedomäne mehr besitzt, über einen Retrovirus in Knochenmarkzellen eingeführt, um zu prüfen, ob ein dominanter störender RXR einen ähnlichen Phänotyp wie TR4 aus- bilden würde. In einer Kontrollkultur wurde ein RXR mit vollständiger Stranglänge verwendet. Während die ΔRXR- und RXR-Proben zunächst einen Auswuchs zeigten, beendeten diese Zellen am 9. Tag in der Kultur die Proliferation und blieben von da an die Zellzahlen konstant bzw. begannen sich zu verringern. All diese Daten weisen darauf hin, dass
eine erweiterte Proliferation spezifisch nur von TR4 und TR4-Varianten erzielt wird, wogegen RXR das Wachstum von Myeloidzellen begünstigt. Darüber hinaus zeigte ΔRXR eine ähnliche Wirkung auf Knochenmarkzellen wie RXR mit vollständiger Stranglänge, was zeigt, dass, wie auch beim TR4, die DNS-Bindung von RXR für diese Aktivität durchaus entbehr1ich ist.
Zur Untersuchung des Differenzierungspotentials der TR4- Zellen wurden , Myeloid-Differenzierungsinduktoren wie zum Beispiel 9-cis-Retinosäure oder TFA zugegeben und die Zellen anschließend auf morphologische Veränderungen und ihre Adhäsionseigenschaften hin untersucht. Zur Kontrolle wurden weitere Zellen mit dem Hühner-Myelomonozyten- Wachstumsfaktor (cMGF) behandelt, womit bei früheren Experimenten eine zwar wachstumsfördernde, jedoch keine differenzierende Aktivität nachgewiesen wurde. Von den mit 9cisRA behandelten HA-TR4- und HA-ΔTR4-Zellen wurden nur wenige adhärent, während die Mehrzahl der RXR- und ΔRXR- Zellen am Gefäß hafteten und zu Makrophagen differenzierten.
TPA leitete rasch eine Adhäsion der gesamten Zellpopulation ein, wobei keine offensichtlichen Unterschiede zwischen RXR-, ΔRXR-, TR4- und ΔTR4-Zellen beobachtet wurden. Den Zellen wurden unterschiedliche TPA-Konzentrationen zugesetzt und unter dem Mikroskop die sich vollziehenden morphologischen Veränderungen beobachtet. Nach längerer TPA-Behandlung (3 Tage) erwarben einige der Zellen eine Multizellkern-Morphologie.
TR4- und ΔTR4-Zellen weisen hochgradig C/EBPß und den Promyelozytmarker Mim-1 auf.
Im nächsten Schritt wurde die Proteinexpression der TR4- Zellen analysiert. Interessanterweise wiesen sowohl HA-TR4- als auch HA-ΔTR4-Zellen in reichlichem Maße ein Protein mit einer Molekularmasse von 35 kDa auf. Diese Bande wurde auch in RXR- und ΔRXR-Zellen beobachtet, jedoch hier in einem wesentlich geringeren Maße als bei den TR4-Zellen. Danach wurde die Identität dieses Proteins ermittelt. Dazu wurde diese Bande aus einem Gel isoliert und eine Peptid- sequenzierung durchgeführt. Durch die Analyse verschiedener Peptidsequenzen konnte das Protein als das myb-induzierte Myeloidprotein 1, Mim-1 genannt, identifiziert werden. Ein Western-Blot mit einem Anti-Mim-1-spezifischen Antikörper bestätigte zusätzlich die Identität dieses Proteins. Die in den, Coomassie-Blau gefärbten Gels gefundene 18-kDA-Bande ist aller Wahrscheinlichkeit nach ein Mim-1-Abbauprodukt, da es sich ebenfalls mit Anti-Mim-1-Antikörper färben ließ. Mim-1 kommt in Zytoplasmagranulat in Form normaler und verformter Promyelozyten vor.
Um die Analyse der TR4-Zellen weiter zu vertiefen, wurde das Vorhandensein von C/EBPß, einem weiteren, in hohem Maße in Myeloid-Progenitoren auftretenden und für eine wirksame Mim-1-Expression erforderlichen Protein, per Immunoblot geprüft. Dabei wurde festgestellt, dass TR4- und HA-ΔTR4- enthaltende Zellen hochgradig C/EBPß aufwiesen. Auch in RXR- und ΔRXR-Zellen trat C/EBPß auf, jedoch in einem geringeren Maße.
In der Summe bestätigen all diese Daten den Effekt, dass TR4 bei der Einleitung eines Auswuchses gebundener Granulo- zyt-Progenitoren bzw. bei der Verhinderung der terminalen Differenzierung dieser Zellen eine Rolle spielt.
Für das Verständnis, wie sich die verschiedenen hämato- poetischen Abstammungslinien entwickeln, ist die Expression
von Zellkernhormonrezeptoren von zentraler Bedeutung. Mit der Erfindung wird nachgewiesen, dass TR4 in hohem Maße in hamatopoetischen Zellen und Geweben von Wirbelorganismen und dabei besonders stark in Myeloidzellen auftreten. Des Weiteren wurde durch die ektopische Expression von TR4 in Knochenmarkzellen der Einfluss von TR4 auf die Hämatopoese aufgedeckt. Es wurde festgestellt, dass TR4 zu einem wirksamen Auswuchs an Promyelozyten führt und so an der Proliferation und Differenzierung von Myeloid-Pro- genitorzellen beteiligt ist. Darüber hinaus wurde gezeigt, dass TR4 sowie auch das von seiner DNA-Bindedomäne befreite ΔTR4 im Wesentlichen die gleichen biologischen Aktivitäten aufeisen. Offensichtlich ist die DNS-Bindeaktivität von TR4 für die Ausübung seiner Aktivitäten in hamatopoetischen Zellen nicht erforderlich.
Wie hier aufgezeigt wurde, kommt TR4 zwar in verschiedenen hamatopoetischen Abstammungslinien vor, doch wurde ein wirksamer Auswuchs nach einer ektopischen Expression in Knochenmarkzellen nur im Myeloidbereich beobachtet. Interessanterweise wurde, obwohl Erythroidzellen in allen analysierten Spezies eine auffällige TR4-Expression aufwiesen, kein Auswuchs an erythroiden Progenitorzellen beobachtet. Des Weiteren wurde festgestellt, dass TR4 bei Einbau in vorhandene Erythroid-Progenitoren insbesondere eine geringfügige Wachstumsfördernde Aktivität besitzt.
Gemäß der Erfindung wird die transkriptionelle Aktivität von TR4 als Repressor durch verschiedene Mechanismen, darunter auch die Zusammensetzung der Zielstelle, bedingt. Entsprechend erfordert eine TR4-vermittelte Repression an bestimmten DNS-Elementen eine intakte DNS-Bindedomäne, wie ebenfalls hier dargestellt wurde. Alternativ könnte die transkriptionelle Repression per Sequestrierung von Ko- faktoren (Transrepression) , die sich zum Beispiel mit AF-2
verbinden, vermittelt werden und die Transrepression folglich sowohl -von TR4 als auch ΔTR4 durchgeführt werden. Interessanterweise, zeigen TR4 und ΔTR4 in vivo ähnliche biologische Aktivitäten bei der Förderung der Promyelozyt- proliferation. Dies erlaubt die Schlußfolgerung, dass die Aktivität der ektopisch auftretenden TR4 in Myeloidzellen weitestgehend, wenn nicht sogar vollständig, aus der Sequestrierung eines oder mehrerer Kofaktoren resultiert, die an der korrekten Myeloidentwicklung beteiligt sind. Dieser Gedanke wird des Weiteren durch in Experimenten mit anderen hamatopoetischen Zelltypen gewonnene Belege gestützt. So kann zum Beispiel der Östrogenrezeptor in erythroiden Zellen die Differenzierung über einen Mechanismus hemmen, der eine intakte AF-2-Domäne erfordert, jedoch von der AF-1- und DNS-Bindedomäne unabhängig ist.
Kürzlich wurde nachgewiesen, dass NR in der Lage sind, Zielgenexpressionen nicht nur als DNS-gebundene Faktoren, sondern auch durch Mechanismen, die keine direkten DNA- Interaktionen erfordern, zu modulieren. Solche DNS-unabhängigen Aktivitäten der NR werden in den meisten Fällen per Protein- rotein-Interaktionen durchgeführt. Die wahrscheinlichsten Kandidaten für eine solche Funktion sind Korepressoren und Koaktivatoren, die bekanntermaßen mit der AF-2-Domäne von NR interagieren. Einem solchen DNA-unabhängigen Mechanismus der TR4-Tätigkeit würden die gemachten Beobachtungen, die eine ähnliche Aktivität von TR4 und ΔTR4 bei der Promyelozyt-Proliferation nachweisen, entsprechen. Ein Kandidat für diese Funktion ist RIP-140, ein nachweislich mit TR4 interagierender Koaktivator. Des Weiteren besitzt die Transrepression auf Grund der RIP-140- Sequestrierung durchaus Priorität und wurde zum Beispiel bei der PPAR/RXR-gesteuerten Genexpression beobachtet.
Die Untersuchung der subzellulären Lokalisierung der TR4- Proteine ergab, dass TR4 im Zellkern, ΔTR4 dagegen zwar zum größten Teil im Zellkern, jedoch auch im Zytoplasma von TR4-transformierten Hühnerembryo-Fibroblasten und Myeloid- zellen vorhanden ist. Ein Grund dafür könnte darin bestehen, dass das mutmaßliche Zellkernlokalisierungssignal von TR4 (wie das entsprechende Zellkernlokalisierungssignal in der DNA-Binderegion von TR2) in ΔTR4 entfernt ist. Folglich könnte die 'verringerte Zellkernexpression von ΔTR4 durchaus das gegenüber TR4-Zellen etwas verringerte Proli- ferationspotential der ΔTR4-Zellen erklären.
Abschließend wird nachgewiesen, dass TR4 als Regulator der Myeloidentwicklung ein Ziel der pharmakologischen Forschung darstellt und somit neue Möglichkeiten für die Behandlung von Myeloid-Leukämie eröff et .
Es zeigen die Abbildungen:
Abb. 1.: Hä atopoetische Zellen und Gewebe weisen TR4 auf
Die Gesamt-RNA verschiedener Zelltypen und Gewebe von Menschen (A) , Mäusen (B) und Hühnern (C) wurde per Northern-Blot auf TR4-Expression analysiert. TR4-spezi- fische Transkripte sind gekennzeichnet (Pfeilspitze und Stern) . Zum Nachweis der RNA-Belastung ist mit Methylenblau gefärbte 28S-Ribosomen-RNA dargestellt. Erbls: Erythro- blasten, DC: dendritische Zellen (Dendritic Cells) , DCprog. : DC-Progenitoren (DC Progenitors) , SCF und STED : SCF- bzw. SCF/TGFα-abhängige Erythroblasten.
Abb. 2.: TR4 fördert in vitro die Proliferation von Knochenmarkzelle .
Wachstumskurven von mit HA-TR4, HA-ΔTR4, RXR und ΔRXR infizierten Knochenmarkzellen wie angegeben. Kontrollzellen mit leerem Neovirus . Die Zellen wurden in einem Medium aus
100 ng/ml SCR gezüchtet. Dabei wurde täglich die Gesamtzeilenzahl ermittelt. Kleines Bild: HA-TR4- und HA-ΔTR4- Zellen weisen gemäß Nachweis per Western-Blot und Anti- Hämagglutinin- spezifischem Antikörper wirksam TR4-Proteine auf.
Abb. 3.: DNA-Bindeaktivität und transkriptionelle Aktivität von HA-TR4 und HA-ΔTR4.
(A) Die DNA-Bindeaktivität von TR4-Proteinen wurde durch Banden-Shift-Assays unter Verwendung vollständiger Zellextrakte aus den in Abb. 3B dargestellten stabil transfizierten Hühnerembryo-Fibroblasten analysiert. Dazu wurde ein 32P-markierter Oligonukleotid, der ein DRl-Motiv enthielt, eingesetzt. Die Hühnerembryo-Fibroblasten (Kontrolle) und neoresistenten Hühnerembryo-Fibroblasten mit leeren Vektoren (neoR) wiesen etwas endogene Bindeaktivität auf (Spur 2 bzw. 3) . Die HA-TR4 -Extrakte zeigten eine vorherrschende Bande (Pfeilspitze im linken Feld, Spuren 4 und 6) , die in den HA-ΔTR4 -Proben fehlte (Spur 7) . TR4 begünstigte eine gegenüber HA-TR4 geringfügig schnellere komplexe Migration (Spuren 8 und 11) . Bei Zugabe von Anti -HA-spezifischem Antikörper (α-HA) erfolgte ein Supershift der HA-TR4 -Bande (durch ein Sternchen gekennzeichnet) , wogegen HA-ΔTR4 und TR4 unverändert blieben. Spur 1: kein Extrakt (kein). Spur 5: Kompetition mit 100- fachem Überschuss an nicht markierten Oligonukleotiden. Offene Pfeilspitzen: Hintergrundbanden.
(B) HA-TR4 und HA-ΔTR4 wurden mit Hilfe von transienten Kotransfektionsexperimenten in Hühnerembryo-Fibroblasten hinsichtlich ihrer transkriptioneilen Aktivität analysiert . Das Luziferasereporter-Konstrukt enthält Ratten-CRBPII- RXRE. Bei den Transfektionsreaktionen wurden 500 ng sowohl an Reporter als auch an pSG5-RXR-Plasmiden (alle Proben) sowie steigende Mengen (5, 10, 50, 100 und 500 ng) an Re- trovirusvektoren mit HA-TR4 bzw. HA-ΔTR4 wie angegeben
eingesetzt. Die Luziferase-Aktivität wurde per Kotransfek- tion eines ß-Galactosidase-Reporterplasmids normalisiert. Der Lösung wurde wie angegeben 9cRA mit einer Endkonzentration von 10"6 M zugesetzt (+) .
Abb. 4.: Differenzierung von TR4- und RXR-Zellen in Reaktion auf verschiedene Stimuli.
Die Differenzierung der HA-TR4-, HA-ΔTR4-, RXR- und ΔRXR- Zellen am 12. Tag in der Kultur wurde mit 9cRA (lxlO"6 M) oder per TPA-Behandlung (1 μg/ml) über 48 h ausgelöst. Die differenzierten adhärenten Zellen wurden anschließend mit einem histologischen Farbstoff (DiffQuik) gefärbt. Zur Kontrolle wurde Hühner-Myelomonozyten-Wachstumsfaktor (40 ng/ml) zugegeben. Da mit leeren Neoviren infizierte Knochenmarkzellen keinen Auswuchs aufwiesen, konnten die mit leeren Vektoren infizierten Zellen nicht in die Kontrolle eingeschlossen werden. Die Dichte der adhärenten Zellen wurde per NIH-Bildsoftware ermittelt. Dabei wurden die Werte der mit TPA aufbereiteten Zellen willkürlich mit 100 festgelegt.