Oberflächenimplantation und Oberflächenbeschichtung für Stents oder andere Implantate
Beschreibung
Gebiet der Erfindung
Die Erfindung betrifft eine Oberflächenimplantation oder Oberflächenbeschichtung für Stents und andere Implantate nach dem Oberbegriff des Anspruches 1
Stand der Technik
In der aktuellen Implantationstechnik werden Produkte wie Stents, Implantate zur Wundheiiung von Knochen (Schrauben, Platten, etc.), Zahnimplantate, Cardio- und Cardiochirurgische Implantate (z.B. Thoraxdrähte, Defibrillatoren und Schrittmacher sowie deren Elektroden, Koronarstents, usw.), Endoprothesen, Vena Cava- Filter, usw., verwendet. Stand der Technik als auch die Ausführungsbeispiele werden nun beispielhaft an Stents erläutert. Es versteht sich jedoch von selbst, daß derartige Oberflächen und Beschichtungen auch für andere Implantate geeignet sind.
Da heute bei vielen Menschen immer mehr Allergien auftreten, rufen die dafür verwendeten Materialien entweder solche allergischen Reaktionen hervor und/oder verstärken andere Krankheitssymptome des Implantatträgers.
Wie Rabenseifner in seinem Buch „Tantal und Niob als Implantatwerkstoff" auf den Seiten 46, 50 und 79 Anfang der 80er Jahre nachgewiesen hat, sind Niob und Tantal die beiden Elemente, die in einen lebenden Körper implantiert, keine bzw. die geringsten Abwehrreaktionen hervorgerufen haben.
Bisher werden (Koronar)-Stents aus Materialien wie (Voll)-Tantal, rostfreiem Stahl, Nitinol, usw., hergestellt. Da nach erfolgter Stent-Implantation in ein vorher verengtes Koronargefäß, sich dieses schon innerhalb von 6 Monaten mit einer Wahrscheinlichkeit von bis zu 45% wieder verengt, was man als Re-Stenose bezeichnet, versuchen
verschiedene Hersteller solcher Stents, durch Oberflächenbeschichtung mit Gold, Kohlenstoff, radioaktiven Isotopen, usw., bessere Ergebnisse zu erreichen.
Gold und Platin gelten im allgemeinen als biokompatibel. In der Regel werden Stents aus Edelstahl mit einer ca. 5 μm dicken Goldschicht auf galvanischem Weg beschichtet. Als Alternative zu galvanischen Verfahren bieten sich die modernen PVD- Verfahren an. Um eine gute Haftung auf der Stentoberf lache zu erzielen, müssen diese zunächst chemisch gereinigt und gebeizt werden, um Fette, Schmutzreste und nicht zuletzt die vor Korrosion schützende Chromoxidschicht beseitigen zu können. Gold ist allerdings im Vergleich zu dem Edelstahlgrundmaterial edel und baut zu diesem eine elektrische Potentialdifferenz auf. Durch diese elektrische Potentialdifferenz (-= Spannung) kann es bei Poren- und Rißbildung in der Schicht zu Lochfraß im Grundmaterial führen mit der Folge erhöhter lonenabgabe in das Blut, und nicht zuletzt resultiert hieraus eine mechanische Schwächung des Stents. Da z.B. ein Stent andererseits im Gefäß am Zielort aufgedehnt wird, kommt es von selbst zu den Poren und Rissen, an denen der Lochfraß angreifen kann.
Titannitrid gilt ebenfal l s als biokompatibel. Die Beschichtung erfolgt mittels PVD- Verfahren. Titannitrid ist sehr hart (> 2500HV) und hat einen vergleichsweisen hohen Elastizitätsmodul. Wie bei Gold treten ähnliche Probleme auf bzw. werden diese noch weiter verstärkt, weil durch die geringe Duktilität der Schicht im Vergleich zu Gold die Schichten beim Aufdehnen des Stents zu noch mehr Rißbildung neigen; insofern ist ein erhöhtes Risiko zur Lochfraßbildung im Grundmaterial einzukalkulieren.
Auf der Basis der Erkenntnisse von Rabenseifner wurde versucht diesen Problemen durch Voll-Tantal-Stents Herr zu werden. Diese Voll-Tantal-Stents brachten auch keine wesentlich besseren Ergebnisse, da Stents aus Voll-Tantal mit relativ dicken Wandstärken hergestellt werden müssen. Der Grund: Stents aus Stahl oder Tantal werden nach Einbringen an die Gefäßengstelle mit Hilfe eines Ballonkatheters auf den dortigen Gefäßdurchmesser aufgedehnt. Da der implantierte Stent im Blutstrom liegt, sind um so bessere Ergebnisse (geringere Re-Stenoseraten) zu erwarten, je geringer die Wandstärke der Stents und damit der Widerstand ist, der auf das durchströmende Blut einwirkt. Andererseits kann aufgrund der komplexeren Bearbei-
tungsmöglichkeit von Voll-Tantal keine extrem glatte Oberfläche erzielt werden kann, die aber für ein optimiertes Ergebnis im Implantatträger (Patienten) notwendig wäre. Untersuchungen haben gezeigt, je glatter die Stent-Oberfläche, um so weniger Blutkörperchen können sich darauf absetzen, um so geringer die Gefahr einer Resteno- se.
D.h., die Anforderungen an einen Stent sind insbesondere in ihrer Kombination sowohl mechanisch biologisch wie hämodynamisch außerordentlich hoch.
Mechanisch erfordern Stents eine gute Dehnbarkeit bei sehr guter Stützfestigkeit. Die hierzu charakterisierenden mechanischen Kennwerte drücken sich in der in der Bruchdehnung des Materials sowie in seinem E-Modul aus. Je höher der E-Modul, mit desto filigraneren Strukturen kann der Stent „designed" werden. Unter den medizinisch relevanten Werkstoffen weist z.B. der austenitische Edelstahl 316 L mit Un- tergruppen usw. (DIN 1.4435) mit einer max. Bruchdehnung von nahezu 80% und einem E-Modul von 210 GPa die günstigsten Voraussetzungen auf. Andere Werkstoffe wie Titan oder Tantal sind in dieser Beziehung wesentlich ungünstiger. Mit Titan ist ähnlich wie Tantal eine max. Bruchdehnung von 30% einstellbar, im Durchschnitt jedoch nur zwischen 10-15%. Überdehnungen (z.B. das Aufdehnen durch den Ballonkatheter) führen schnell zur Rißbildung. Der E-Modul für Titan liegt bei 110-120 GPa und für Tantal bei 160-170 GPa. Mechanisch besitzt also der klassische Werkstoff „Edelstahl" deutliche Vorteile für diese Anwendung im Vergleich zu den „new materials".
Biologisch und chemisch ist er diesen jedoch eindeutig unterlegen, nicht zuletzt wegen seines hohen Nickelgehaltes von 12% (Nickel-Allergien), sowie seines Chromgehaltes (Chrom-Allergien). Edelstahlstents führen zur starken neointimalen Hyper- plasiebildung, sind thrombogen und weisen ein thermodynamisches Restrisiko zur lonenabgabe in das umgebende biologische Milieu auf.
Es wurden bereits verschiedene Stentausführungen mit Blick auf das verwendete Grundmaterial und auf die Beschichtungen Korrosionsprüfungen unterzogen. Als Korrosionsmedium wurde die sog. Machu-Lösung verwendet, die zusammengesetzt ist aus 5 % NaCI und 1 % H202 und mit Essigsäure auf den pH-Wert 6 eingestellt ist.
Die Lösung stellt einen verschärften Salzsprühnebel-Test dar und darf insofern als physiologisch sehr gut angenähert gelten, als durch die Zugabe von H202 das Sauerstoffpotential im Blut berücksichtigt ist. Aufgrund der sehr scharfen Bedingungen wurden die Stents nach jeweils 30 Minuten, 1 Stunde, 3 Stunden und schließlich 5 Stunden rasterelektronen-mikroskopisch untersucht. Als Bewertungskriterien wurden jeweils die Lochfraßhäufigkeit und/oder flächige Korrosionsangriffe bewertet.
Im Ergebnis war festzustellen, daß das Korrosionsverhalten von Stents im Zusammenhang mit der lonenabgabe ins biologische Milieu steht. Grundsätzlich sollte die- se vollständig unterbunden sein. Die biologische Umgebung reagiert mit einer spontanen bindegeweblichen Einkapselung des Fremdkörpers - in diesem Fall des Stents -, was zur Ausbildung einer Neointima und damit zu einer Verengung der Blutgefäße führt.
Stents z.B. aus dem austenitischen Stahl 316 L oder dergleichen weisen eine vergleichsweise hohe Korrosionsauffälligkeit auf. Die Ursachen sind einerseits das relativ inhomogene Gefüge und andererseits die Reste von „Delta"-Ferrit in dem Austenit. Keiner der marktüblichen Stents war völlig „Delta"-Ferrit frei.
Abhilfe sollen Beschichtungen schaffen. Als eine Beschichtung wird im Markt eine 5 μm dicke Goldoberfläche angeboten. Gold baut zum Grundmaterial eine sehr hohe Lochfraßempfindlichkeit auf, so daß besonders über Poren und an den rauhen Schnittflächen verstärkte Korrosion auftritt. Diese ist sogar stärker als bei unbeschichteten Stents.
Zusammenfassung der Erfindung
Ausgehend von diesem Stand der Technik liegt der vorliegenden Erfindung die Aufgabe zugrunde, günstige mechanische Eigenschaften des Grundmaterials mit den bioverträglichen Eigenschaften von Tantal oder Niob zu verbinden.
Diese Aufgabe wird durch eine Oberfläche oder Oberflächenbeschichtung mit den Merkmalen des Anspruches 1 gelöst, wobei unter Oberfläche auch eine wie durch Ionen-Implantation behandelte Oberfläche zu verstehen ist.
Tatsächlich haben zahlreiche Untersuchungen mit Beschichtungen auf Tantalbasis sehr gute biologische als auch chemische korrosions-schützende Eigenschaften ergeben. Jüngste in vivo-Versuche bestätigen zudem günstige antithrombogene Ei- genschaften dieser Oberflächen.
Aber insbesondere mit Blick auf die Anwendung von Beschichtungen für Stents sind mehrere Forderungen an diese unabdingbar.
Die Schichten sollten zum Grundmaterial elektrochemisch kompatibel sein und dürfen kein Lochfraßpotential aufbauen. Dies passiert vor allem mit edlen und elektrisch-leitenden Schichten wie Gold oder Platin. Durch die Expansion des Stents sind Riß- und Porenbildung in der Schicht nie vollständig vermeidbar. Hierdurch kann es über das ,,Lochfraß"-Potential zur verstärkten Korrosion und damit lonenabgabe des Grundmaterials kommen.
Durch einen Multischichtaufbau mit einer spontanen Selbstpassivierfähigkeit der Beschichtung und nicht zuletzt durch einen ,,selfsealing"-Effekt lassen sich diese Risiken vermeiden. Das Einbringen von Reintantalzwischenschichten begünstigt das „selfsealing" von Schichten bei Riß- und Porenbildung sowie ihre elektrisch isolierende Selbstpassivierung.
Die Schichten müssen ein außergewöhnlich gutes Haftvermögen zum Edelstahl besitzen. Kleinste Schichtabplatzer in vivo tragen das Risiko zur Embolie. Die Herstel- lung der Schichten sollte also thermische und thermodynamische redundante Sicherheitsfaktoren beinhalten. Diese werden mittels PVD (Physical Vapor Depositi- on)-Verfahren erreicht. Hiermit werden auch die Eigenspannungen von Schicht und Grundmaterial minimiert.
Tantal gilt, wie auch Niob, unter den Werkstoffen als das körperverträglichste Metall. Im folgeden wird der Einfachheit halber auf die Ergebnisse und Erkenntnisse Bezug genommen, die Über den Einsatz von Tantal vorliegen. Es versetht sich jedoch von selbst, daß sich diese ergebnisse auch auf Niob übertragen lassen.
ln Studien wurde an Tantal-Implantaten eine beschleunigte Wundheilung beobachtet. Tantal ist neben den Edelmetallen Gold und Silber das chemisch resistenteste Metall, in mancher Hinsicht ist es sogar stabiler als die Edelmetalle. Als Schicht hat Tantal im Vergleich zu den Edelmetallen den Vorteil, daß es zur spontanen Selbst- passivierung unter Aufbau einer elektrisch isolierenden Schicht neigt. Hierdurch kann die Ausbildung von Lochfraßpotentialen vollständig ausgeschlossen werden. Weiterhin können durch die Reaktionen des Metalls Tantal (Ta) zu seinem Oxid bzw. Hy- droxyoxid Poren und Risse je nach Größe teilweise oder vollständig zuwachsen; man bezeichnet diesen Vorgang als seif sealing. Korrosionsuntersuchungen bestäti- gen den außergewöhnlichen Schutz, den Tantalschichten auf Stents aus Edelstahl zu bieten vermögen.
Obwohl Reintantalschichten eine sehr gute Bioverträglichkeit aufweisen, weisen Blutbenetzungsversuche, sowie Adsorptionsuntersuchungen auf eine bevorzugte Adsorption von Fibrinogen hin. Durch chemische Bindung mit Stickstoff und Sauerstoff zur Bildung von Tantaloxynitriden werden bipolare Oberflächen gebildet, die zu einer bevorzugten Adsorption von Albumin aus dem Blut führen. Somit sind die Voraussetzungen geschaffen, sowohl eine biokompatible als auch in Hinblick auf die Thrombogenität verbesserte Oberfläche einzustellen.
Tantal zeigt in der Praxis auf Stents zudem einen moderaten Röntgenkontrast, d.h. der Stent ist auf dem Bildschirm oder Bild leicht sichtbar, man sieht aber dennoch in den Stent hinein. Dadurch können im Stent selbst Stenosen leichter diagnostiziert werden als dies z.B. bei reinen Edelstahl-Stents der Fall ist.
Bei einer Ausgestaltung nach Anspruch 3 können trotz der bisherigen Bedenken nun auch die Vorteile und günstigen Eigenschaften eines Edelstahls als Grundmaterial genutzt werden.
Beschreibung eines bevorzugten Ausführungsbeispiels
Ein Tantal/Tantalkeramikschichtverbund wird in mehreren Lagen auf das Grundmaterial in Schichtdicken bis 5 Mikrometer oder mehr aufgetragen, so daß weitgehend durchgehende Poren zum Untergrund vermieden werden können. Aber selbst wenn
durchgehende Poren auftreten, kann man von chemisch und elektrochemisch dichten Schichten sprechen: einmal aufgrund des oben erörterten seif sealing effects der Schicht und zum anderen aufgrund der Bildung von elektrisch isolierenden Passivschichten. Die Korrosionsergebnisse bestätigen dies eindrucksvoll.
Die schon Anfang der 80er Jahre von L. Rabenseifner bei seiner Veröffentlichung (Buch „Tantal und Niob als Implantatwerkstoff ,„ Seite 8, 46, 49, 50 und 78) nachgewiesenen Nachteile, daß rostfreier Stahl wie 316 L im Körper einer Korrosion unterliegt, das Element Nickel besonders problematisch ist, und dies zu unkon- trollierbaren, schädlichen Reaktionen führt, sind damit eliminiert. Die Vorteile, ebenfalls in diesem Buch beschrieben (Seite 46, 50 und 79), als auch die dort (Seite 46) auf die Untersuchungen von Harms und Mäusle 1980 verweisenden Zusammenhänge, daß bei Implantation der üblichen Werkstoffe in den menschlichen Körper, sich in allen Fällen schon nach 2 Wochen eine umschließende Bindegewebsmembran ge- bildet hatte, bei Tantal und Niob jedoch keine Bindegewebsmembran nachweisbar war, kommen bei unserer Erfindung voll zum tragen (die Bildung einer Bindegewebsmembran beim Stent ist nämlich gleichzusetzen mit einer Verringerung des Durchfluß-Lumens uns damit u.U. eine Restenose).
Die Ergebnisse dieser Grundlagenforschungen waren Basis für die Entwicklung der Tantal-Implantat-Oberfläche. Da die Oberfläche den 316 L-Grundkörper des Stents hermetisch umschließt und damit nur die aufgetragenen Elemente Tantal oder Niob mit Körperzellen in Kontakt kommen, sind bei Stents, die so behandelt wurden, zumindest geringere Körperreaktionen zu erwarten.