EUROPÄISCHE KOMMISSION
Brüssel, den 22.5.2017
COM(2017) 500 final
MITTEILUNG DER KOMMISSION
Europäisches Semester 2017: Länderspezifische Empfehlungen
EUROPÄISCHE KOMMISSION
Brüssel, den 22.5.2017
COM(2017) 500 final
MITTEILUNG DER KOMMISSION
Europäisches Semester 2017: Länderspezifische Empfehlungen
1.Einleitung
Die europäische Wirtschaft hat sich angesichts erheblicher Herausforderungen als widerstandsfähig erwiesen. 2016 konnten sowohl die EU als auch das Euro-Währungsgebiet ein Wirtschaftswachstum von annähernd 2 % verbuchen. Die Beschäftigtenzahl in der EU erreichte 232,9 Millionen Menschen und war damit höher als je zuvor. Nach der Frühjahrsprognose 2017 der Kommission 1 setzt sich die Verbesserung der öffentlichen Finanzen fort: Das gesamtstaatliche Defizit im Euro-Währungsgebiet, das vor wenigen Jahren noch über 6 % des BIP ausmachte, dürfte in diesem Jahr bei 1,4 % liegen, während die Schuldenquote nach einem jahrelangen steilen Anstieg langsam sinken und im kommenden Jahr auf knapp unter 90 % zurückgehen dürfte. Das Wirtschaftswachstum profitiert von der Widerstandskraft inländischer Wachstumsfaktoren, einer konjunkturfreundlichen Wirtschaftspolitik, einschließlich einer akkommodierenden Geldpolitik und einer nichtrestriktiven Finanzpolitik, einem allmählich anziehenden Welthandel und dem vergleichsweise günstigen Euro-Wechselkurs. Allerdings wird die wirtschaftliche Entwicklung weiterhin durch die schwache zugrunde liegende Produktivität und die Nachwirkungen der Krise, darunter fortbestehende Ungleichheiten und Disparitäten zwischen den Ländern, belastet. Die hauptsächlich durch externe Faktoren bedingte Unsicherheit bleibt hoch und das Potenzialwachstum muss angeschoben werden.
Um die positiven Trends und die Konvergenz innerhalb der EU zu verstärken, müssen die Volkswirtschaften wettbewerbsfähiger, widerstandsfähiger, inklusiver und innovativer werden. Dies ist das Ziel der Empfehlungen im Rahmen des Europäischen Semesters der wirtschaftspolitischen Koordinierung. Reformen werden durch unterstützende Rahmenbedingungen erleichtert und sind dringend erforderlich, um die derzeitigen positiven wirtschaftlichen und sozialen Trends fortzuführen und die Modernisierung unserer Volkswirtschaften zu unterstützen. Gut konzipierte und richtig gestaffelte Reformen, die auch Verteilungseffekten Rechnung tragen, sollten die EU-Bürger und -Unternehmen in die Lage versetzen, zum Wachstum beizutragen und gleichzeitig davon zu profitieren, die Konvergenz fördern und etwaige nachteilige Auswirkungen von Veränderungen minimieren. Die Umsetzung dieser Reformen wird auch dazu beitragen, die Konvergenz in der EU und im Euro-Währungsgebiet zu verstärken, auch indem sie deren Widerstandsfähigkeit erhöht.
Reformen müssen den besonderen sozioökonomischen Gegebenheiten und Herausforderungen in den einzelnen Mitgliedstaaten gebührend Rechnung tragen. Seit 2010 wurden bedeutende Arbeitsmarktreformen beschlossen, insbesondere in einigen am stärksten von der Krise betroffenen Ländern. Diese Reformen haben dazu beigetragen, die Anpassungsfähigkeit der betreffenden Volkswirtschaften zu erhöhen, die Wettbewerbsfähigkeit wiederherzustellen und die Beschäftigung auszuweiten. Andere Reformen zielten darauf ab, die Rahmenbedingungen für Unternehmen und die Funktionsweise der Finanz- und Produktmärkte zu verbessern. Zuletzt wurde das Augenmerk zunehmend darauf gerichtet, Arbeit steuerlich zu entlasten und die Sozialpolitik sowie die Arbeitsmarktparameter zu modernisieren, um deren Funktionsweise zu verbessern und eine faire Verteilung der Früchte des Wachstums in der Gesellschaft sicherzustellen. Allerdings muss noch mehr getan werden, insbesondere bei der Reform der Produkt- und Dienstleistungsmärkte sowie der Modernisierung der öffentlichen Verwaltung, also in Bereichen, die für die Erleichterung von Investitionen und eine stärkere Handelsintegration und Wettbewerbsfähigkeit von zentraler Bedeutung sind.
Die Reformen müssen auch die längerfristige Nachhaltigkeit des Wirtschaftsaufschwungs sicherstellen und die Widerstandsfähigkeit gegenüber künftigen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen erhöhen. Dies erfordert eine stärkere Fokussierung auf Reformen, die Investitionen in die soziale Infrastruktur, in Bildung, in die frühkindliche Betreuung, Bildung und Erziehung sowie in lebenslanges Lernen erleichtern. Auch braucht es mehr Reformen zur Förderung der Forschungs- und Innovationskapazität und zur Steigerung der Produktivität. Solche Reformen könnten aufholenden Mitgliedstaaten zugutekommen, die zunehmend unter Druck stehen, sich stärker auf wissensintensive Branchen zu spezialisieren. Auch Länder mit chronisch niedrigem Produktivitätswachstum könnten davon profitieren. Besondere Aufmerksamkeit sollte darüber hinaus auf die Gesamteffizienz der Steuer- und Sozialleistungssysteme gerichtet werden. In Ländern mit Sparüberhang und niedrigen Investitionen sind zusätzliche Investitionen erforderlich, um den wirtschaftlichen Erfolg für die Zukunft, insbesondere vor dem Hintergrund der Bevölkerungsalterung, zu sichern.
Nach wie vor gibt es zahlreiche Beschränkungen, die die unternehmerische Tätigkeit erschweren. Die Zuflüsse an ausländischen Direktinvestitionen sind weiterhin gering und in einigen Teilen der EU-Wirtschaft sind Handelsintegration und diversifizierung noch schwach ausgeprägt. Nach wie vor gibt es Beschränkungen bei den freiberuflichen Dienstleistungen sowie unverhältnismäßige Regulierungsauflagen und schwerfällige Verwaltungsverfahren in einigen Dienstleistungsbranchen. Fragmentierung und Ineffizienzen der öffentlichen Beschaffungsmärkte bestehen fort. Diese Faktoren hemmen weiterhin die Handelsintegration im Binnenmarkt und bremsen die Integration der Unternehmen entlang der Wertschöpfungskette, indem sie ihnen zusätzliche Kosten aufbürden oder ihren Marktzugang einschränken. Indem Innovation und Produktivität angeschoben und Unterschiede in der wirtschaftlichen Leistungsstärke zwischen Unternehmen, Branchen und Regionen verringert werden, entsteht Raum für eine dynamische Lohnentwicklung und eine Verbesserung des verfügbaren Einkommens der Haushalte.
Soziale Prioritäten müssen zentraler Bestandteil der Reformanstrengungen sein. Wie im Weißbuch über die Zukunft Europas und im Reflexionspapier zur sozialen Dimension Europas bis 2025 bemerkt, ist die Erholung nach wie vor nicht gleichmäßig verteilt, weder innerhalb der Gesellschaft noch zwischen den Regionen. Es bleibt deshalb eine dringende Priorität, die Altlasten der Krise – von der Langzeitarbeitslosigkeit bis hin zur hohen öffentlichen und privaten Verschuldung – zu überwinden. Strukturreformen sind nötig, um soziale Gerechtigkeit zu fördern, Einkommensungleichheiten zu verringern und die Konvergenz hin zu besseren Ergebnissen zu unterstützen. Bei der Gestaltung und Umsetzung der Reformagenda sollten die sozialen Prioritäten und Folgen berücksichtigt werden.
Um zur Lösung einiger dieser Probleme beizutragen und eine Orientierung für den weiteren Konvergenzprozess vorzugeben, hat die Kommission ihren Vorschlag für eine europäische Säule sozialer Rechte vorgelegt. Ziel dieser Säule ist es, einige zentrale Grundsätze zur Unterstützung gut funktionierender und fairer Arbeitsmärkte und Sozialsysteme festzulegen. Die Säule ist als Kompass für einen erneuerten Konvergenzprozess angelegt. Die Analyse und die Empfehlungen des Europäischen Semesters werden die Grundsätze der Säule widerspiegeln und sie durch Bewertung, Monitoring und Vergleich der Fortschritte bei deren Umsetzung fördern. In einigen Bereichen werden ein Benchmarking und der Austausch bewährter Verfahren durchgeführt. Ein sozialpolitisches Scoreboard wird bei der Bewertung der Fortschritte helfen.
Das Europäische Semester und die länderspezifischen Empfehlungen bieten eine jährliche Orientierung für die Reformen der Mitgliedstaaten. Auch wenn die Empfehlungen an die Mitgliedstaaten jedes Jahr angepasst werden, um den erzielten Fortschritten und den sich wandelnden Rahmenbedingungen Rechnung zu tragen, sind sie doch fest in den übergeordneten Prioritäten verankert, die in der Rede des Kommissionspräsidenten zur Lage der Union und im Jahreswachstumsbericht skizziert wurden. Bei den Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets spiegeln sich darin auch die Empfehlungen für die Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets wider. Kohärenz und Übereinstimmung zwischen den Empfehlungen für das Euro-Währungsgebiet und den länderspezifischen Empfehlungen sind unerlässlich, um sicherzustellen, dass der richtige Policy-Mix auf der Ebene des Euro-Währungsgebiets erreicht wird und Spillover-Effekte innerhalb des Euro-Währungsgebiets bei der Politikgestaltung angemessen berücksichtigt werden. Die in der Strategie Europa 2020 dargelegte umfassendere und längerfristige Vision und die Ziele für nachhaltige Entwicklung für den Zeitraum bis 2030 sind als jährliche Orientierung für entsprechende Maßnahmen von maßgeblicher Bedeutung und in vollem Umfang in das Europäische Semester integriert.
Die Kommission hat konkrete Schritte unternommen, um die Reformumsetzung durch die Mitgliedstaaten und deren Eigenverantwortung zu verbessern und zu unterstützen. Wie in den Vorjahren stützen sich die Empfehlungen auf einen umfassenden Dialog auf mehreren Ebenen mit dem Europäischen Parlament, den nationalen Parlamenten, den Behörden der Mitgliedstaaten, den Sozialpartnern, der Zivilgesellschaft und anderen wichtigen Interessenträgern. Erstmals hat die Kommission die Mitgliedstaaten zu den Entwürfen der im letzten Februar veröffentlichten Länderberichte 2 konsultiert und so das gemeinsame Verständnis der wichtigsten wirtschaftlichen und sozialen Prioritäten gefestigt. Außerdem führt die Kommission regelmäßige Konsultationen mit den Sozialpartnern auf EU- und nationaler Ebene und hat die Mitgliedstaaten aufgerufen, dem Beitrag der nationalen Sozialpartner mehr Beachtung zu schenken. Dazu gehört auch, dass sie stärker in die Ausarbeitung der nationalen Reformprogramme eingebunden und zu den wichtigsten Etappen des Europäischen Semesters konsultiert werden. Auch in ihren Vorschlägen für die diesjährigen länderspezifischen Empfehlungen richtet die Kommission den Fokus auf die Themenkomplexe, denen man sich am dringendsten zuwenden muss.
2.Allgemeine Fortschritte bei den Reformen und der Korrektur von Ungleichgewichten
Die Erfahrungen der letzten Jahre bestätigen, dass die Mitgliedstaaten gewillt sind, Strukturreformen aktiv voranzutreiben. Am deutlichsten erkennbar werden die Fortschritte bei der Umsetzung der einzelnen länderspezifischen Empfehlungen, wenn man sie über den gesamten Zeitraum seit ihrer Annahme betrachtet. Bei der großen Mehrheit der Reformen waren wesentliche Fortschritte zu verzeichnen, während Tempo und Tiefe der Umsetzung von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedlich sind. Um die Eigenverantwortung der Mitgliedstaaten für die Reformen zu erleichtern und zu einer verbesserten Umsetzung beizutragen, hat die Kommission zentrale Prioritäten von gesamtwirtschaftlicher und sozialpolitischer Relevanz stärker in den Fokus gerückt. Bei den letzten Runden des Europäischen Semesters wurden die Empfehlungen zunehmend auf Reformschritte konzentriert, die innerhalb von 12 bis 18 Monaten umgesetzt werden können. Wenngleich dies maßgeblich dazu beiträgt, eine Dynamik zu erzeugen und erste Schritte in Gang zu setzen, lässt dieser Zeitrahmen doch nur eingeschränkt eine treffende Bewertung zu: Die Erfahrung zeigt, dass Reformen oft schrittweise über einen längeren Zeitraum erfolgen und ihre Auswirkungen über mehrere Jahre hinweg bewertet werden müssen.
Bei rund zwei Dritteln der bis 2016 ausgesprochenen länderspezifischen Empfehlungen wurden zumindest „einige Fortschritte“ bei der Umsetzung erzielt. Seit 2011 richtet der Rat alljährlich eine Reihe von Empfehlungen an jeden Mitgliedstaat. Die zielgerichteten Reformen sind oft weitreichend und nehmen Zeit in Anspruch, bis sie entsprechend den nationalen Gepflogenheiten ausgearbeitet und umgesetzt sind. Die Regierungen, nationalen Parlamente, Sozialpartner, andere Interessenträger und einzelnen Bürger müssen Zeit aufwenden, Diskussionen führen und Analysen anstellen, um bei den in den Empfehlungen angesprochenen Fragen zum bestmöglichen Ergebnis zu gelangen. Dies macht im Allgemeinen Kompromisslösungen erforderlich, die zwischen unterschiedlichen wirtschaftlichen, sozialen, institutionellen und politischen Erwägungen einen Ausgleich herstellen.
Bei den Empfehlungen früherer Jahre sind die Umsetzungsfortschritte beträchtlich größer als bei den Empfehlungen, die vor weniger als einem Jahr ausgesprochen wurden. Dies bestätigt, dass die Umsetzung von Reformen Zeit braucht und dass es wichtig ist, die Fortschritte nicht nur kurz- sondern mittelfristig zu bewerten. In mehrjähriger Betrachtung wurden die größten Reformfortschritte in den die Finanzpolitik und den finanzpolitischen Steuerungsrahmen betreffenden Politikbereichen sowie bei den Finanzdienstleistungen erzielt. Dies spiegelt großteils die unternommenen Anstrengungen zur Überwindung der Wirtschafts- und Finanzkrise wider, da es die hohen Schulden und Defizite anzugehen und den Finanzsektor zu stabilisieren galt. In vielen Ländern wurden bedeutende Maßnahmen ergriffen, um die langfristige Tragfähigkeit der Rentensysteme zu verbessern. Langsamere Fortschritte wurden im Gesundheitswesen und bei der Langzeitpflege, bei der Verbreiterung der Steuerbemessungsgrundlage, bei der Verbesserung der Rahmenbedingungen für Unternehmen, beim Zugang zu Finanzierungen und beim Wettbewerb im Dienstleistungssektor erzielt. Dies sind zum Teil längerfristige Prioritäten, die angesichts wachsender demografischer Herausforderungen in Zukunft noch drängender werden und bei einem weiterhin verhaltenen Wachstum noch akuter hervortreten könnten. Seit das Europäische Semester 2011 eingeführt wurde, haben sich die Fortschritte – bewertet jeweils ein Jahr nach Verabschiedung der Empfehlungen – etwas verlangsamt. Dies könnte zum Teil daran liegen, dass politisch einfachere Reformen zuerst durchgeführt wurden und der Handlungsbedarf während der Krise als dringender empfunden wurde. Allerdings wurde dieser Trend mit der Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen 2016 gestoppt.
Abbildung 1: Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen: Jährliche Bewertung in den Jahren seit 2011
Abbildung 2: Gesamtumsetzung der länderspezifischen Empfehlungen 2011-2016 bis heute (mehrjährige Bewertung)
Seit Annahme der letztjährigen länderspezifischen Empfehlungen haben die Mitgliedstaaten im Bereich der Finanzpolitik und des finanzpolitischen Steuerungsrahmens sowie bei der aktiven Arbeitsmarktpolitik die signifikantesten Fortschritte erzielt. Auch in der Steuerpolitik (steuerliche Entlastung der Arbeit), bei der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik (insbesondere Armutsverringerung, soziale Inklusion und Kinderbetreuung) sowie bei den Finanzdienstleistungen wurden Schritte unternommen. Am wenigsten Fortschritte wurden unter anderem bei der langfristigen Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen, beim Wettbewerb im Dienstleistungssektor und bei den Rahmenbedingungen für Unternehmen erzielt. Als Gesamtbild ergibt sich, dass die Mitgliedstaaten zwar weiterhin Reformanstrengungen unternehmen, doch bei den meisten der in den länderspezifischen Empfehlungen 2016 genannten Politikbereichen nur „begrenzte“ bis „einige“ Fortschritte erzielt haben. Es bleibt also noch einiges zu tun, bis die Reformen vollständig umgesetzt und für die Bürger und Unternehmen konkret spürbar sind.
Abbildung 3: Bewertung der Fortschritte bei den länderspezifischen Empfehlungen 2016 nach Politikbereich
Die Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte setzt sich fort, was die Umsetzungsfortschritte bei den maßgeblichen Reformen widerspiegelt, bleibt in der EU jedoch in dem Sinne weitgehend asymmetrisch, als es die Länder mit außenwirtschaftlichen Defiziten oder Auslandsschulden sind, die weitere Fortschritte erzielt haben. Unterdessen weisen einige andere Länder nach wie vor hohe Leistungsbilanzüberschüsse auf. Der daraus resultierende anhaltende Leistungsbilanzüberschuss des Euro-Währungsgebiets spiegelt die gesamtwirtschaftliche Nachfragedynamik wider, die nach wie vor nicht mit der Wirtschaftstätigkeit Schritt hält. Hinzu kommt, dass die Kerninflation ein Allzeittief erreicht hat. Dies stellt Länder, die in- und ausländische Verschuldung abbauen müssen, vor eine Herausforderung. Infolgedessen werden private und öffentliche Schulden nur mit geringem und uneinheitlichem Tempo abgebaut, wobei das niedrige Nominalwachstum als Hemmschuh wirkt. Die Steigerung der preislichen und nichtpreislichen Wettbewerbsfähigkeit würde den Abbau der außenwirtschaftlichen Ungleichgewichte im Euro-Währungsgebiet unterstützen. Mitgliedstaaten mit Leistungsbilanzdefiziten oder hoher Auslandsverschuldung können durch produktivitätssteigernde Maßnahmen zum Abbau von Ungleichgewichten im Euro-Währungsgebiet beitragen. Mitgliedstaaten mit hohen Leistungsbilanzüberschüssen können zum Abbau der Ungleichgewichte im Euro-Währungsgebiet beitragen, indem sie Strukturreformen und andere Maßnahmen einleiten, die es erleichtern, überschüssige Ersparnisse in die Inlandsnachfrage zu lenken. Dies kann insbesondere durch eine Ausweitung der Investitionstätigkeit und durch Förderung eines stärkeren Lohnwachstums geschehen. Auch das aktuelle Niedrigzinsumfeld bietet hierzu zusätzliche Möglichkeiten, insbesondere in Ländern mit erheblichem haushaltspolitischem Spielraum.
Verschiedene Ungleichgewichte müssen noch angegangen werden. In einigen Ländern liegen private, öffentliche und Auslandsverschuldung nach wie vor auf sehr hohem Niveau. Diese Schulden allesamt auf einem soliden Abwärtspfad zu halten, ist unerlässlich, um Anfälligkeiten auch mit Blick auf einen erwarteten Inflations- und Zinsanstieg zu verringern. Zwar wurden die Kapitalpuffer im Finanzsektor ausgebaut, doch stellt die niedrige Rentabilität in Kombination mit dem hohen Anteil an notleidenden Krediten eine Herausforderung dar. Die Arbeitsmarktbedingungen bessern sich durch die Bank, auch wenn anhaltend hohe Arbeitslosigkeit und Ungleichheit nach wie vor soziale Not zur Folge haben und die Wirtschaftsentwicklung in einigen Mitgliedstaaten belasten. In einer wachsenden Zahl von Mitgliedstaaten hängen die Herausforderungen mit starken Veränderungen der Wohnimmobilienpreise zusammen.
Im Februar 2017 stellte die Kommission in zwölf Mitgliedstaaten Ungleichgewichte fest; die geeigneten Folgemaßnahmen sind Bestandteil der länderspezifischen Empfehlungen, in denen auf die beim Ungleichgewichtsverfahren genannten Herausforderungen Bezug genommen wird. Bei 13 Mitgliedstaaten wurden eingehende Überprüfungen durchgeführt. Daraufhin wurde der Schluss gezogen, dass in Finnland keine Ungleichgewichte mehr bestehen, während in sechs Mitgliedstaaten Ungleichgewichte (Deutschland, Irland, Spanien, Niederlande, Slowenien und Schweden) und in sechs Mitgliedstaaten übermäßige Ungleichgewichte (Bulgarien, Frankreich, Kroatien, Italien, Zypern und Portugal) festgestellt wurden. Bei Zypern, Italien und Portugal kündigte die Kommission im Februar an, dass sie ihre Bewertung überprüfen und dabei den Ehrgeiz der jeweiligen nationalen Reformprogramme berücksichtigt werde.
Kasten 1: Bewertung der nationalen Reformprogramme Italiens, Zyperns und Portugals
Im Februar 2017 gab die Kommission bekannt, dass Italien, Zypern und Portugal übermäßige Ungleichgewichte verzeichneten und dass sie diese Bewertung angesichts der anhaltenden strukturellen Schwächen, die bei der eingehenden Überprüfung deutlich geworden waren, im Mai überprüfen werde. Die Kommission hat die Entwicklungen in diesen drei Ländern weiter beobachtet, insbesondere deren politische Zusagen in den im April übermittelten nationalen Reformprogrammen.
Im nationalen Reformprogramm Zyperns wird ausführlich dargelegt, welche politischen Initiativen kurz- und mittelfristig geplant sind, um andere wirtschaftliche und strukturelle Herausforderungen anzugehen. Dies soll insbesondere geschehen, indem die Effizienz des öffentlichen Sektors gesteigert, die Funktionsweise des Insolvenzrahmens verbessert, die Ausstellung und Übertragung von Eigentumsurkunden gestrafft und die Justiz modernisiert wird. Im Programm werden außerdem Maßnahmen zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und zur Beseitigung von Investitionshemmnissen, insbesondere durch weitere Umsetzung des Aktionsplans für Wachstum, vorgestellt. Auch wenn viele Reformzusagen hinreichend ambitioniert erscheinen, um die Herausforderungen Zyperns anzugehen, werden generell doch keine genauen Angaben zum Zeitplan für ihre Annahme und Umsetzung gemacht.
Das italienische Reformprogramm 2017 enthält kurz- und mittelfristige Politikzusagen in Kontinuität mit den Programmen früherer Jahre. Zu den bis Mitte 2017 geplanten Maßnahmen gehören die endgültige Verabschiedung noch anhängiger Gesetzte im Wettbewerbsbereich, die Reform des Strafprozesses und der Verjährungsvorschriften und die Umsetzung des Armutsbekämpfungsgesetzes. Ebenfalls geplant sind Maßnahmen in den Bereichen betriebliche Tarifverhandlungen, Verlagerung der Steuerlast und Privatisierung. Mittelfristig zielt das Programm insbesondere auf die Bereiche öffentlichen Finanzen, Steuern, Arbeitsmarkt, Banken- und Kreditsystem, Wettbewerb, öffentliche Verwaltung und Justiz sowie Investitionen ab. Auch wenn viele Reformzusagen hinreichend ambitioniert erscheinen, um die Herausforderungen Italiens angemessen anzugehen, hängt ihre Glaubwürdigkeit doch von der praktischen Umsetzung ab.
Portugal präsentiert in seinem nationalen Reformprogramm 2017 eine mittelfristige wirtschaftliche und soziale Strategie in Kontinuität mit dem Programm 2016. Die vorgeschlagenen Maßnahmen zielen darauf ab, das Qualifikationsniveau der Erwerbsbevölkerung zu heben, die Arbeitsmarktsegmentierung anzugehen, die Rahmenbedingungen für Unternehmen zu verbessern und die portugiesischen Unternehmen wettbewerbsfähiger zu machen; die Unternehmensverschuldung und die Arbeitslosigkeit zu senken; die öffentliche Verwaltung zu modernisieren und den Sozialschutz zu verbessern. Auch wenn viele Reformzusagen hinreichend ambitioniert erscheinen, um die Herausforderungen Portugals angemessen anzugehen, fehlen im Programm doch genaue Angaben und konkrete Umsetzungspläne zu einigen zentralen Bereichen, etwa zum Abbau der privaten und öffentlichen Verschuldung. Am 14. Mai 2017 haben die portugiesischen Behörden in einem Schreiben weitere Einzelheiten zu den Maßnahmen und zur Zeitplanung übermittelt.
Aufgrund dieser Bewertungen und unter Berücksichtigung sämtlicher verfügbarer Informationen ist die Kommission zu dem Schluss gelangt, dass die Analysen derzeit keinen Grund geben, das Verfahren bei makroökonomischen Ungleichgewichten zu verschärfen, sofern die betreffenden Mitgliedstaaten die in den jeweiligen länderspezifischen Empfehlungen genannten Reformen zügig und umfassend umsetzen. Die Kommission wird diese drei Länder – wie sie es bei allen Ländern mit übermäßigen Ungleichgewichten tut – weiter beobachten, insbesondere im Wege des „spezifischen Monitoring“.
Die Kommission hat das Monitoring der Politikumsetzung im Rahmen des Verfahrens bei makroökonomischen Ungleichgewichten ausgebaut. Im Einklang mit dem letztjährigen Beschluss, die Zahl der Kategorien, in die die Mitgliedstaaten beim Verfahren bei makroökonomischen Ungleichgewichten eingestuft werden, zu verringern, wurde das „spezifische Monitoring“ auf alle Länder mit Ungleichgewichten oder übermäßigen Ungleichgewichten ausgedehnt. Die Tiefe des Monitorings richtet sich nach dem Umfang der Herausforderungen und der Schwere der Ungleichgewichte. Ziel ist es, durch einen intensiveren Dialog zwischen der Kommission und den nationalen Behörden dazu beitragen, dass die Politik rascher und umfassender auf die festgestellten Ungleichgewichte reagiert.
3. Hauptziele der Empfehlungen für 2017-2018
Die Empfehlungen zielen hauptsächlich darauf ab, die Schaffung von Arbeitsplätzen und das Wachstum zu fördern, lassen dabei aber die soziale Gerechtigkeit nicht außer Acht. Sie sind das Ergebnis breit angelegter politischer Analysen und umfassender Kontakte mit den Hauptakteuren. Sie greifen die Themen auf, die im Jahreswachstumsbericht, bei den Verfahren bei makroökonomischen Ungleichgewichten, bei der Überwachung im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumspakts, bei Länderbesuchen, bei Konsultationen der Mitgliedstaaten, beim dreigliedrigen Sozialgipfel, beim jährlichen Konvent für integratives Wachstum mit der Zivilgesellschaft und in den Empfehlungen für das Euro-Währungsgebiet ermittelt worden sind.
Die Herausforderungen sind von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat sehr unterschiedlich. Während in einigen Mitgliedstaaten, wie denen mit übermäßigen Ungleichgewichten, die ermittelten Probleme umfassende und mitunter rasche politische Maßnahmen erfordern, werden für andere, die wirtschaftlich insgesamt gut abschneiden und vor spezifischeren Herausforderungen stehen, gezieltere politische Maßnahmen empfohlen. Diese Unterschiede schlagen sich in der Zahl der an die Mitgliedstaaten gerichteten Empfehlungen und in deren Umfang und Formulierung nieder. Von den Mitgliedstaaten wird erwartet, dass sie alle Herausforderungen, die bei der in den Länderberichten vom Februar enthaltenen umfassenden Analyse ermittelt wurden, angehen, auch wenn dies in den länderspezifischen Empfehlungen keine Erwähnung finden. Besonderes Augenmerk sollte auf eine angemessene Reformabfolge gelegt werden sowie darauf, dass erforderlichenfalls flankierende Maßnahmen getroffen werden, sollten diese sich nach Beurteilung der Verteilungseffekte als notwendig erweisen.
Arbeitsmarkt
Viele Mitgliedstaaten haben Reformen zur Steigerung der Leistungsfähigkeit ihrer Arbeitsmärkte durchgeführt, doch sind weitere Anstrengungen erforderlich, um die hohe Arbeitslosigkeit in den Griff zu bekommen. Die bisherigen Reformen tragen Früchte, denn sie haben zur Schaffung von Arbeitsplätzen und zur Verbesserung der Bedingungen am Arbeitsmarkt beigetragen. Doch muss die Jugend- und Langzeitarbeitslosigkeit auch weiterhin dringend bekämpft werden und sind zur Förderung widerstandsfähiger und inklusiver Arbeitsmärkte größere Anstrengungen erforderlich. Zu diesem Zweck muss u. a. der Segmentierung des Arbeitsmarkts entgegengewirkt und (z. B. in Belgien, Bulgarien, Irland, Italien, Litauen, Ungarn, Portugal und Rumänien) die Effektivität der aktiven Arbeitsmarktpolitik und (z. B. in Bulgarien, Litauen und Spanien) die Effektivität der Sozialpolitik gesteigert werden. Auch müssen Tarifverhandlungssysteme entwickelt werden, die der Schaffung von Arbeitsplätzen und der Steigerung des Produktivitätswachstums in stärkerem Maße förderlich sind. In Ländern mit Vollbeschäftigung oder annähernder Vollbeschäftigung könnten die Reallohnerhöhungen beschleunigt und dadurch der Gesamtverbrauch gesteigert werden. In Deutschland und den Niederlanden könnte dies zum Abbau der hohen Leistungsbilanzüberschüsse beitragen.
Die Segmentierung des Arbeitsmarkts bremst die Produktivität und die Entwicklung des Humankapitals. Strukturelle Veränderungen bei der Beschäftigung haben zu einem Anstieg der befristeten Arbeitsverhältnisse geführt. Neue Formen der Beschäftigung können die Arbeitsmöglichkeiten ausweiten und die Unternehmensentwicklung vorantreiben. Doch können sie auch den Zugang zur Sozialversicherung, zu beruflicher Fortbildung und zu Arbeitsverwaltungen beschränken, die Arbeitsplatzsicherheit vermindern und dem Ziel der Schaffung hochwertiger Arbeitsplätze zuwiderlaufen.
Es muss mehr zur Erhöhung der Erwerbsbeteiligung getan werden. Trotz des kontinuierlichen Anstiegs der Erwerbsbeteiligung von Frauen und einiger Maßnahmen zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben, ist das Beschäftigungs- und Lohngefälle zwischen Männern und Frauen nach wie vor groß. Die Kommission empfiehlt den Mitgliedstaaten daher erneut, in diesem Bereich tätig zu werden. Zusätzliche Anstrengungen sind auch zur Verbesserung der Integration von Migranten und Menschen mit Migrationshintergrund in den Arbeitsmarkt erforderlich (z. B. in Belgien, Frankreich, den Niederlanden, Österreich und Finnland).
Um die alternde Bevölkerung zu einem längeren Verbleib im Erwerbsleben zu veranlassen, bedarf es einer Kombination aus Rentenreformen, Arbeitsmarktpolitik, lebenslangem Lernen und Gesundheitspolitik. Zwar hat die Erwerbsbeteiligung älterer Arbeitnehmer zugenommen, doch ist deren Anteil an der Beschäftigung in vielen Ländern nach wie vor niedrig. Angesichts der alternden Bevölkerung und höherer Abhängigenquoten muss die Erwerbsbeteiligung älterer Menschen dringend erhöht werden, um nachhaltige und angemessene Sozialversicherungssysteme zu gewährleisten. Ein aktives und gesundes Altern stärkt auch das Wohlbefinden älterer Menschen. Aus diesem Grund hat die Kommission an die Länder, die in diesen Bereichen bislang nur begrenzt tätig geworden sind, hier aber drängendere Probleme verzeichnen (wie Deutschland, Kroatien, Luxemburg, Österreich, Polen und Slowenien), eine Reihe von Empfehlungen gerichtet. Die Mitgliedstaaten haben wichtige Gesundheitsreformen durchgeführt. Doch wird die Leistungsfähigkeit, die Nachhaltigkeit und die Erschwinglichkeit des Gesundheitssystems in einigen Mitgliedstaaten durch anhaltende Unterfinanzierung, ineffiziente Ressourcenallokation, zu häufige Krankenhausbehandlungen, hohe Zuzahlungen und Personalmangel eingeschränkt. Diese Aspekte werden in einer Reihe von Empfehlungen (z. B. an Lettland, Österreich und Rumänien) behandelt.
Der soziale Dialog kann einen wichtigen Beitrag leisten. Es gilt den nationalen Gepflogenheiten entsprechend sicherzustellen, dass die Sozialpartner über die erforderlichen Befugnisse verfügen, um bei Tarifverhandlungen ihre Funktion voll und ganz erfüllen zu können. Neben einem gut funktionierenden sozialen Dialog trägt auch die Einbindung und das konstruktive Engagement der Sozialpartner bei der Ausgestaltung und Umsetzung der maßgeblichen Politikmaßnahmen und Reformen wesentlich dazu bei, die Identifikation mit diesen Maßnahmen und Reformen und damit auch deren Wirksamkeit zu erhöhen.
Sozialschutzsysteme und Ungleichheit
Sozialschutzsysteme müssen allen offenstehen, bei Bedarf eine angemessene Einkommensergänzung bereitstellen und gleichzeitig für alle Erwerbsfähigen die Beschäftigung und Erwerbsbeteiligung fördern. Hierzu muss die richtige Balance zwischen Anpassungsfähigkeit und Sicherheit gefunden werden, wozu auch eine soziale Absicherung in angemessener Höhe, ein angemessener Kreis an Berechtigten und eine angemessene Bezugsdauer zählen. Reformen, die dazu führen, dass Arbeit sich lohnt, werden auch benötigt, um den Wiedereinstieg ins Erwerbsleben zu fördern.
Bei der Ausgestaltung politischer Reformen und der Überwachung ihrer Umsetzung müssen auch Einkommensungleichheiten und Armut angegangen werden. Wie im Jahreswachstumsbericht herausgestellt und durch die Länderberichtanalysen weiter untermauert, sind in einigen Mitgliedstaaten kritische neue sozio-ökonomische Entwicklungen zu verzeichnen. Hierbei handelt es sich um Einkommensungleichheiten oder gesellschaftsschichtbedingte Unterschiede bei Bildungsabschlüssen und Gesundheit. Ihnen muss bei der Ausgestaltung der Wirtschaftspolitik Rechnung getragen werden. Hinzu kommt, dass die Mitgliedstaaten mit den größten Ungleichheiten tendenziell auch höhere Armutsquoten aufweisen. Um Einkommensungleichheiten und Armut anzugehen, bedarf es umfassender Präventiv- und Gegenstrategien. Hierzu zählen der gleichberechtigte Zugang zu Bildung und Gesundheitswesen, erhöhte Chancen auf dem Arbeitsmarkt und verbesserte Verdienstaussichten, erschwingliche Dienste hoher Qualität und gut konzipierte Steuer- und Leistungssysteme.
Durch Steuerprogression, einen guten Steuereinzug und die Bereitstellung angemessener Sozialleistungen können Steuer- und Leistungssysteme gemeinsam dazu beitragen, die Beschäftigung zu steuern und Einkommensunterschiede und Armut abzubauen. Zwar ist die Ausgestaltung der nationalen Steuersysteme ein Vorrecht der Mitgliedstaaten, doch hat die Erfahrung gezeigt, dass eine geringe Steuerprogression in Verbindung mit einem schlechten Steuereinzug und einem schwachen sozialen Sicherheitsnetz der Gesellschaft und dem wirtschaftlichen Wachstum schadet. Einige der in diesem Zusammenhang ausgesprochenen Empfehlungen zielen darauf ab, die Angemessenheit von Sicherheitsnetzen (wie einem Mindesteinkommen) zu verbessern, den Kreis der Berechtigten auszuweiten und die Transparenz und Koordinierung der Sozialleistungen zu verbessern.
Bildung
Bessere Qualifikationen verbessern die Chancen auf dem Arbeitsmarkt und kommen Innovation und Produktivitätswachstum zugute. Gering qualifizierte Arbeitnehmer weisen niedrigere Beschäftigungsquoten auf und machen einen großen Anteil an den Langzeitarbeitslosen aus. Qualifikationssteigernde Investitionen und die Unterstützung beim Wechsel von einer Stelle mit geringen Qualifikationsanforderungen zu einer Stelle mit höheren Qualifikationsanforderungen wie auch die Förderung von Karrieremöglichkeiten sind auch deshalb von zentraler Bedeutung, weil sie zur Meisterung des technischen Fortschritts, zur nachhaltigen Förderung des Produktivitätswachstums und zur Bewältigung der mit der Bevölkerungsalterung einhergehenden Herausforderungen beitragen. Reformen müssen Weiterqualifizierungs- oder Umschulungsmaßnahmen für Personen mit Grundfertigkeiten vorsehen, die Relevanz der allgemeinen und der beruflichen Bildung und Weiterbildung für den Arbeitsmarkt erhöhen und die Hochschulausbildung und das lebenslange Lernen verbessern. Ein weiterer Schwerpunkt sollte darauf gelegt werden, insbesondere bei benachteiligten Gruppen wie Roma oder Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund auf einen gleichberechtigteren Zugang zu hochwertiger Bildung hinzuarbeiten. All diese Maßnahmen unterstreichen auch, wie wichtig die Rolle der Sozialpartner bei der Bereitstellung von hochproduktiven Arbeitsplätzen mit hohen Qualifikationsanforderungen und von Möglichkeiten für lebenslanges Lernen ist. Empfehlungen zu bildungsbezogenen Fragen werden in diesem Jahr an Österreich, Belgien, Bulgarien, Spanien, Frankreich, Litauen, Zypern, Kroatien, Ungarn, Österreich, Rumänien, die Slowakei und das Vereinigte Königreich gerichtet.
Finanzsektor
Würden die verbleibenden Schwachstellen im Bankensektor beseitigt, würde dies die wirtschaftliche Erholung stützen und die Finanzierung der europäischen Unternehmen verbessern helfen. Auch wenn in den Mitgliedstaaten die Sanierung der Bankenbilanzen in den vergangenen Jahren vorangekommen ist, gibt es immer noch viele notleidende Kredite, ineffiziente Geschäftsmodelle und Überkapazitäten, die die Rentabilität der Banken und deren Fähigkeit, die Realwirtschaft mit Krediten zu versorgen, einschränken. Die Kommission hat ein umfassendes Legislativpaket vorgelegt, das insbesondere die Risiken weiter verringern und die Widerstandsfähigkeit des Bankensektors in der EU erhöhen soll. Darüber hinaus wird sie im Juni 2017 die Ergebnisse ihrer Halbzeitüberprüfung des Aktionsplans zur Schaffung der Kapitalmarktunion vorlegen.
Die große Zahl notleidender Kredite ist auf die übermäßige Kreditvergabe vor der Krise und das seither andauernde schleppende Wachstum zurückzuführen. In einigen Mitgliedstaaten (Irland, Kroatien und Slowenien) haben die konjunkturelle Erholung und die auf nationaler Ebene getroffenen Politikmaßnahmen die Zahl dieser Kredite schrumpfen lassen. In einer Reihe anderer Länder hingegen wird die Erholung selbst noch immer durch die eingeschränkte Kreditvergabe – ihrerseits durch die große Zahl notleidender Kredite bedingt – behindert. Entschlossene politische Maßnahmen, durch die die Auflösung dieser Kredite gefördert wird, könnten in diesen Ländern dazu beitragen, diesen Teufelskreis zu durchbrechen.
Maßnahmen müssen sowohl zum Abbau der großen Zahl notleidender Kredite als auch zur Vorbeugung des erneuten Auflaufens eines solchen Problembestands getroffen werden. Angesichts der engen Verknüpfung der Wirtschafts- und Finanzsysteme in der EU zieht der hohe Anteil notleidender Kredite in verschiedenen Mitgliedstaaten breitere Spillover-Effekte nach sich. Auch wenn das politische Instrumentarium weitgehend auf nationaler Ebene angesiedelt ist, könnte eine Strategie auf EU-Ebene einen umfassenderen Ansatz und konzertierte Aktionen auf nationaler und europäischer Ebene fördern. In der Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet wird zu einer wirkungsvollen euroraumweiten Strategie aufgerufen, mit der den Risiken für die Funktionsfähigkeit des Bankensektors entgegengewirkt werden soll.
Effiziente Insolvenzrahmen, die insbesondere eine effiziente außergerichtliche Umstrukturierung vorsehen, sind von zentraler Bedeutung, um bei notleidenden Krediten einen außergerichtlichen Vergleich herbeiführen und die Rückgewinnungsquoten erhöhen zu können. Zu diesen Maßnahmen zählen die Erhöhung von Transparenz und Offenlegung, die Stärkung von Dateninfrastrukturen für die leichtere Transaktionsabwicklung sowie Bedienung durch und Veräußerung an spezialisierte Nichtbankeninstitute. Bei großen Beständen an notleidenden Krediten sollten Optionen in Betracht gezogen werden, die eine beschleunigte Bilanzsanierung erleichtern. Dazu sollten eine proaktivere Nutzung von Aufsichtsbefugnissen sowie eine erleichterte Veräußerung solcher Aktiva zählen. Entsprechende Maßnahmen hat die Kommission Bulgarien, Irland, Italien, Zypern, Portugal und Slowenien empfohlen.
Rahmenbedingungen für Investitionen und Unternehmen
Wirtschaftliche Stabilität und Reformen haben zur Erholung der Investitionen beigetragen, die in einigen Mitgliedstaaten höher sind als vor der Krise der Fall. Doch müssen weitere Anstrengungen unternommen werden, um die Bestände an Investitionsgütern, immateriellen Vermögenswerten und Infrastruktureinrichtungen aufzustocken und den seit der Krise aufgelaufenen Investitionsstau abzubauen. Bei ihrer Bewertung der Fortschritte, die beim Abbau nationaler Investitionshindernisse und bei den prioritären Reformen erzielt wurden, fand die Kommission bestätigt, dass in diesem Bereich ein erheblicher Teil der länderspezifischen Empfehlungen nicht zur Gänze umgesetzt wird. Die Mitgliedstaaten sollten die zurzeit günstigen gesamtwirtschaftlichen Bedingungen dazu nutzen, die öffentlichen Investitionen zur Beschleunigung des Reformtempos auszuweiten und Möglichkeiten für private Investitionen zu schaffen. Zugleich sollten die Mitgliedstaaten, insbesondere diejenigen mit finanzpolitischem Spielraum, den Aufwärtstrend bei den öffentlichen Investitionen aufrechterhalten.
In Ländern, in denen Spielraum zur Ausweitung der öffentlichen Ausgaben besteht, sollte die öffentliche Investitionsquote in den Bereichen Bildung, Infrastruktur sowie Forschung und Innovation angehoben werden. In einer Reihe von Mitgliedstaaten muss die produktivitätsrelevante öffentliche Infrastruktur, wie Breitband-, Kommunikations- und Innovationsnetze verbessert werden. In vielen anderen sind Investitionen in den öffentlichen Wohnungsbau sowie in Bildung, Gesundheitswesen und soziale Dienste vonnöten. In allen Fällen dürfte eine transparente und angemessene Anwendung der Vergabeverfahren dazu beitragen, bei der Verwendung der Haushaltsmittel des öffentlichen Sektors größtmögliche Effizienz sicherzustellen.
Tempo und Stärke der wirtschaftlichen Erholung hängen jedoch davon ab, wie entschlossen die privaten Investitionen vorangetrieben werden. Die Investitionsoffensive für Europa trägt dazu bei, einen optimalen Einsatz der öffentlichen Investitionen sicherzustellen, und wirkt als Katalysator für private Investitionen. In vielen Teilen Europas wird dadurch die Wirkung der Europäischen Struktur- und Investitionsfonds verstärkt. Strukturreformen tragen dazu bei, die Rahmenbedingungen für Unternehmen zu schaffen, die Investitionen des privaten Sektors in den Mitgliedstaaten förderlich sind. Verwaltungsreformen wurden in den Ländern beschleunigt, in denen dies am dringendsten notwendig war. Doch bleibt nach wie vor viel zu tun. An einer stabilen Liste von Projekten in Schlüsselsektoren wird immer noch gearbeitet.
Um die Effektivität der Justiz zu steigern und Korruption vorzubeugen und zu bekämpfen, sind weitere Anstrengungen erforderlich. In einer Reihe von Mitgliedstaaten sind es vor allem diese Punkte, die Investitionen und eine effiziente Ressourcenallokation behindern und der Leistungsfähigkeit der Wirtschaft sowie dem Wachstum im Wege stehen. Um das Vertrauen der Unternehmen und das Investitionsklima zu verbessern, die Effizienz der öffentlichen Ausgaben zu steigern, Fairness zu fördern und den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt zu stärken, müssen diese Herausforderungen in Angriff genommen werden. Die Lage erfordert kontinuierliche, anhaltende und kohärente Maßnahmen insbesondere in den nach wie vor korruptionsanfälligsten Bereichen, d. h. dem öffentlichen Auftragswesen, der öffentlichen Verwaltung, den Rahmenbedingungen für Unternehmen und dem Gesundheitswesen. Problematisch sind nach wie vor die Fragmentierung der Korruptionspräventionsrahmen und die unangemessenen Kontrollmechanismen; die Lücken in den Rechtsvorschriften zur Korruptionsbekämpfung oder die Stärkung der in diesem Bereich bestehenden Vorschriften; die unzureichenden Initiativen zur Meldung von Missständen (Whistleblowing) und Briefkastenfirmen; die unzureichende Verfolgung von Korruptionsfällen auf hoher Ebene; die inoffiziellen Zahlungen im Gesundheitswesen; der fehlende Wettbewerb und die fehlende Transparenz bei der Ausschreibung öffentlicher Aufträge.
Produkt- und Dienstleistungsmärkte
In den meisten Ländern kommen die Reformen an den Produkt- und Dienstleistungsmärkten noch immer nicht ausreichend voran. Mitgliedstaaten, die diese Reformen noch nicht in Angriff genommen haben, sollten dies nachholen. In den meisten Fällen wurden die Reformen vorgestellt oder angekündigt, müssen aber noch entschlossen ausgeweitet, in Kraft gesetzt und realisiert werden. In den Fällen, in denen die Reformen verabschiedet sind und bereits in die Tat umgesetzt werden, muss für eine unbeirrte Umsetzung und – was noch wichtiger ist – für Reformkonsolidierung gesorgt werden, um mögliche Rückschritte zu verhindern.
Besonders wichtig sind Reformen bei den Unternehmensdienstleistungen und im Einzelhandel, da diese Bereiche einen großen Einfluss auf die Produktivität anderer Dienstleistungen und verarbeitender Gewerbe haben. In diesen Bereichen wurden branchenspezifische Initiativen eingeleitet, was den in früheren Runden des Europäischen Semesters abgegebenen Empfehlungen entspricht. Um das Produktivitätswachstum nicht nur im Dienstleistungssektor, sondern auch in Sektoren zu steigern, die diese Dienstleistungen als Input nutzen, wird es wesentlich darauf ankommen, neben weiteren Anstrengungen zur Steigerung des Wettbewerbs an diesen Märkten ergänzende Wege zur Umsetzung dieser Maßnahmen und Reformen zu finden. Dies würde dazu beitragen, die Wettbewerbsfähigkeit im Primär- und Nutzersektor zu erhöhen. Stärkerer Wettbewerb und niedrigere Preise bei freiberuflichen Dienstleistungen kämen insbesondere KMU zugute. Diese Reformen sollten auch die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle und Innovationen ermöglichen.
Öffentliche Finanzen
Die Lage der öffentlichen Finanzen wird sich sowohl im Euro-Währungsgebiet als auch in der EU insgesamt voraussichtlich weiter verbessern. Dank des moderaten Wirtschaftswachstums und der außergewöhnlich niedrigen Zinssätze hat sich der Rückgang des gesamtstaatlichen Defizits und des öffentlichen Schuldenstands 2016 im Euro-Währungsgebiet und in der EU weiter fortgesetzt (so betrug das Defizit 1,5 % bzw. 1,7 % des BIP und der Schuldenstand 91,3 % bzw. 85,1 % des BIP). Unter der Annahme einer unveränderten Politik wird erwartet, dass das gesamtstaatliche Defizit in beiden Räumen 2017 und 2018 weiter abnehmen und 2018 im Euro-Währungsgebiet bei 1,3 % des BIP und in der EU insgesamt bei 1,5 % des BIP liegen wird. Auch der gesamtstaatliche Schuldenstand soll den Prognosen zufolge 2017 und 2018 im Euro-Währungsgebiet und in der EU weiter zurückgehen und in den Jahren 2017 und 2018 im Euro-Währungsgebiet 90,3 % bzw. 88.8 % und in der EU 84,7 % bzw. 83,6 % erreichen. Dies ist der niedrigste Stand seit 2012. Dieser Schuldenabbau ist in erster Linie Primärüberschüssen, geringeren Zinsaufwendungen, dem realen (wenngleich nur moderaten) BIP-Wachstum und dem erwarteten Anstieg der Inflation zuzuschreiben.
Nach mehrjähriger Haushaltskonsolidierung ist der finanzpolitische Kurs 2016 im Euro-Währungsgebiet und in der EU weitgehend neutral geblieben und soll es auch 2017 weiter bleiben. Mit den vorgeschlagenen länderspezifischen Empfehlungen ist die bei Mitgliedstaaten, die der präventiven Komponente des Stabilitäts- und Wachstumspakts unterliegen und ihr mittelfristiges Haushaltsziel noch nicht erreicht haben, erforderliche Haushaltskorrektur mit dem Stabilitäts- und Wachstumspakt vereinbar. Für die unter die korrektive Komponente fallenden Mitgliedstaaten wird in den vorgeschlagenen Empfehlungen erneut die Notwendigkeit betont, die Vorgaben des Defizitverfahrens einzuhalten. Vor allem in Ländern, die einen hohen Schuldenstand aufweisen und möglicherweise anfälliger für Ausschläge an den Finanzmärkten sind, müssen die öffentlichen Schuldenquoten auf einen nachhaltigen Abwärtskurs gebracht werden. Alles in allem würden diese Korrekturen, die für eine vollständige Einhaltung des Pakts erforderlich sind, im Jahr 2018 für das gesamte Euro-Währungsgebiet einen leicht restriktiven finanzpolitischen Kurs bedeuten.
Den jetzigen Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts entsprechend wird den Euro-Mitgliedstaaten mit finanzpolitischem Spielraum deshalb vorgeschlagen, diesen zur Stützung der Binnennachfrage zu nutzen und insbesondere Infrastrukturinvestitionen, Forschung und Innovation anzukurbeln. Dies würde ihr Wachstumspotenzial steigern und eine bessere Verteilung der Haushaltskorrekturen über das Euro-Währungsgebiet bewirken. Es würde ebenfalls dazu beitragen, 2018 einen alles in allem angemesseneren finanzpolitischen Kurs für das Euro-Währungsgebiet insgesamt zu erreichen. Dies wäre wichtig, um die rechte Balance zu finden und auf Dauer tragfähige öffentlicher Finanzen zu erreichen, ohne die derzeitige Konjunktur- und Arbeitsmarkterholung zu gefährden. Darüber hinaus sollten die Mitgliedstaaten, wenn sie Maßnahmen zur Erreichung der im Rahmen der präventiven Komponente des Pakts empfohlenen Haushaltskorrekturen einleiten, sowohl der Tatsache, dass die Konjunkturerholung gestützt werden muss, als auch den potenziellen Auswirkungen auf die Beschäftigung Rechnung tragen. Die Kommission ist bereit, bei ihren künftigen Bewertungen in Fällen, in denen sich große Haushaltskorrekturen besonders signifikant auf das Wachstum und die Beschäftigung auswirken, ihren Ermessensspielraum zu nutzen. In diesem Zusammenhang wird sie jede aktualisierte Angabe zum prognostizierten Stand des Konjunkturzyklus der einzelnen Mitgliedstaaten heranziehen und zu diesem Zweck eng mit dem Rat zusammenarbeiten. Dies entspricht dem Konzept, das die Kommission bereits in ihrer im Januar 2015 vorgelegten Mitteilung „Optimale Nutzung der im Stabilitäts- und Wachstumspakt vorgesehenen Flexibilität“ und ihrer im November 2016 vorgelegten Mitteilung „Hin zu einem positiven fiskalischen Kurs für das Euro-Währungsgebiet“ dargelegt hat.
Zur Aufbringung der für die Finanzierung mittel- bis langfristiger Investitionsprojekte notwendigen Mittel sollten die Mitgliedstaaten vor allem an der Zusammensetzung ihrer öffentlichen Finanzen arbeiten. So sollte das Augenmerk insbesondere auf eine angemessene Allokation der öffentlichen Einnahmen und Ausgaben auf die einzelnen Politikbereiche gelegt werden, um eine potenziell wachstumsfreundlichere Zusammensetzung zu erreichen. Zur Steigerung der Effizienz und Wirksamkeit von Besteuerung und öffentlichen Ausgaben auf allen Ebenen des Staates müssen weitere Anstrengungen unternommen werden. Dies kann eine wesentliche Voraussetzung dafür sein, die Gesamtkosten des öffentlichen Sektors einzudämmen und Raum dafür zu schaffen, beispielsweise durch Investitionen in Sozialinfrastruktur oder berufliche Weiterbildungsmaßnahmen Maßnahmen zu unterstützen, die zu kräftigerem Wachstum, höherer Produktivität und größerer sozialer Inklusion beitragen. Eine effiziente, gut funktionierende Verwaltung und ein angemessenes Angebot an sozialen Dienstleistungen und öffentlichen Gütern kämen den Unternehmenstätigkeiten und der sozialen Gerechtigkeit zugute.
Kasten 2: Überwachung im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumspakts - Aktueller Stand
Ausgehend von ihrer Bewertung der Stabilitäts- und Konvergenzprogramme 2016 hat die Kommission im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumspakts eine Reihe von Schritten unternommen.
So empfiehlt sie, die Defizitverfahren für Kroatien und Portugal zu beenden, sodass nur noch vier Mitgliedstaaten der korrektiven Komponente des Pakts unterlägen.
Darüber hinaus hat sie für Belgien und Finnland Berichte nach Artikel 126 Absatz 3 AEUV angenommen, in denen sie überprüft, ob diese Länder das im Vertrag vorgesehene Schuldenstandskriterium erfüllen. In beiden Fällen gelangt sie zu dem Schluss, dass das Kriterium derzeit als erfüllt angesehen werden sollte. Belgien muss 2017 zusätzliche haushaltspolitische Maßnahmen ergreifen, um für die Jahre 2016 und 2017 zusammengenommen eine weitgehende Einhaltung des Anpassungspfads in Richtung des mittelfristigen Ziels zu gewährleisten. Im Falle Finnlands wird darauf hingewiesen, dass die zügige Annahme und Umsetzung produktivitätssteigernder, arbeitskräfteangeboterhöhender Strukturreformen Voraussetzung dafür sind, die Wachstumsaussichten mittelfristig zu verbessern und die langfristige Tragfähigkeit der öffentliche Finanzen zu erhöhen.
Im Falle Rumäniens hat die Kommission eine Warnung ausgesprochen, da das Land 2016 signifikant vom Anpassungspfad in Richtung des mittelfristigen Ziels abgewichen ist, und dem Rat empfohlen, Rumänien seinerseits zu empfehlen, 2017 angemessene Maßnahmen zur Abstellung dieser signifikanten Abweichung zu ergreifen. Dieses im wirtschaftlichen Steuerungsrahmen der EU vorgesehene Verfahren wird damit erstmals zur Anwendung gebracht. Es gibt den Behörden Gelegenheit, Korrekturmaßnahmen zu ergreifen, um die Einleitung eines Defizitverfahrens zu vermeiden.
Gestützt auf die Bewertung der Stabilitätsprogramme 2017 steht die Kommission den Flexibilitätsersuchen Litauens und Finnlands positiv gegenüber. Finnland wird wegen der geplanten Umsetzung größerer Strukturreformen, insbesondere dem Pakt für Wettbewerbsfähigkeit und der Rentenreform sowie wegen geplanter Investitionen Flexibilität eingeräumt. Litauen wird wegen der geplanten Umsetzung von Reformen, mit denen die Tragfähigkeit des Rentensystems durch verstärkte Indexierung und durch schrittweise Anhebung der Beitragszeiten erhöht werden soll, Flexibilität eingeräumt.
4. Schlussfolgerungen
Damit die Wirtschaft in der EU ihr volles Potenzial erreichen kann, führt an Strukturreformen in Verbindung mit einer besseren Nutzung der öffentlichen Haushalte kein Weg vorbei. Die von der Kommission abgegebenen Empfehlungen haben sowohl die europäische als auch die nationale Perspektive im Blick. Sie bauen auf den im Jahreswachstumsbericht und in den Empfehlungen für die Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets dargelegten Prioritäten für die EU und das Euro-Währungsgebiet auf. Sie stützen sich auch auf den mit den Mitgliedstaaten im Zusammenhang mit den Länderberichten und bei bilateralen Gesprächen und Besuchen geführten eingehenden Dialog sowie die in den nationalen Reformprogrammen und den Stabilitäts- bzw. Konvergenzprogrammen enthaltene Reformagenden. Die Empfehlungen betreffen die drängendsten Herausforderungen, die der Schaffung von Arbeitsplätzen oder der Beschleunigung des Wachstums im Wege stehen.
Die Kommission ersucht den Rat, den vorgeschlagenen Ansatz für die länderspezifischen Empfehlungen 2017-2018 und die zugehörigen Entscheidungen im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumspakts zu billigen. Die Mitgliedstaaten fordert sie auf, diese vollständig und fristgerecht umzusetzen. Die Kommission wird den Dialog mit den Beteiligten auf allen Ebenen fortsetzen, um ein breites Engagement sowie wirksame Folge- und Umsetzungsmaßnahmen sicherzustellen. Auch ist die Kommission bereit, die Mitgliedstaaten über den neu eingerichteten Dienst zur Unterstützung von Strukturreformen und durch bestmögliche Nutzung der europäischen Struktur- und Investitionsfonds auf Anfrage bei ihren Reformen zu unterstützen.
Tabelle 1 – Inhaltlicher Überblick über die länderspezifischen Empfehlungen 2017
Tabelle 2 – Fortschritte bei der Verwirklichung der Europa-2020-Ziele
Europa-2020-Ziele für die EU |
Daten von 2010 |
Jüngste verfügbare Daten |
2020 (unter Zugrundelegung der jüngsten Trends) |
1. Erhöhung der Beschäftigungsquote der 20 bis 64-Jährigen auf mindestens 75 % |
68,6 % |
|
Ziel wird voraussichtlich erreicht |
2. Anhebung der öffentlichen und privaten Investitionen in Forschung und Entwicklung auf 3 % des BIP |
1,93 % |
2,03 % (2015) |
Ziel wird voraussichtlich nicht erreicht |
3a. Verringerung der Treibhausgasemissionen um mindestens 20 % gegenüber 1990 |
Verringerung um 14 % |
Verringerung um 22 % (2015) |
Ziel wird voraussichtlich erreicht |
3b. Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energien am Energieendverbrauch auf 20 % |
12,9 % |
16,7 % (2015) |
Ziel wird voraussichtlich erreicht |
3c. Steigerung der Energieeffizienz um 20 % (entspricht einem angestrebten Primärenergieverbrauch von 1483 Mio. t RÖE) |
11,7 % über dem angestrebten Primärenergieverbrauch von 1483 Mio. t RÖE |
3,1 % über dem angestrebten Primärenergieverbrauch von 1483 Mio. t RÖE (2015) |
Ziel wird voraussichtlich erreicht |
4 a. Reduzierung der Schulabbrecherquote auf weniger als 10 % |
13,9 % |
10,7 % (2016) |
Ziel wird voraussichtlich erreicht |
4b. Erhöhung des Anteils der 30 bis 34-Jährigen mit Hochschulabschluss auf mindestens 40 % |
33,8 % |
39,1 % (2016) |
Ziel wird voraussichtlich erreicht |
5. Verringerung der Anzahl der Menschen, die von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht sind, um mindestens 20 Millionen |
Anstieg um 0,45 Mio. (im Vergleich zum Basisjahr 2008) |
Anstieg um 1,7 Mio. (im Vergleich zum Basisjahr 2008, 2015) |
Ziel wird voraussichtlich nicht erreicht |
Quellen: Europäische Kommission; Europäische Umweltagentur.